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Shakespeare in love

Shakespeare in love, USA 1998
Proseminar: Theater und Film
Leitung: Dr. Susanne Marschall, M. Moninger
Thesen zur Transformation
Von Markus Becker

Der Film „Shakespeare in love“ erzählt die Entstehung des Dramas „Romeo und Julia“ aus Sicht des Dichters, indem dieser in eine ähnliche Handlung verstrickt wird, wie sie den Personen seines Dramas widerfährt, woraus er seine Inspiration schöpft. Der Film und das Drama  weisen eindeutige Parallelen auf. So erinnern zahlreiche Personen des Filmes an die Figurenkonstellation im Drama. Shakespeare verkörpert Romeo, Julia ist Viola ähnlich, die ebenfalls eine Amme besitzt und der heiratswütige, jedoch arme Graf entspricht Paris. Auch ein Teil der Handlung ist ähnlich, denn Violas Eltern wollen diese gegen deren Willen an den Grafen verheiraten. Von einer exakten Transformation des Dramas auf den Film kann aber nicht die rede sein. So bezieht der Film einen Großteil seiner Komik aus dem Versteckspiel von Viola, die sich als Mann ausgibt, um schauspielern zu dürfen bzw. von Shakespeares Verkleidung als Frau, um in der Nähe seiner Geliebten sein zu können. Es fehlen hingegen entscheidende Konflikte, wie bspw. die Fehde zweier verfeindeter Familien. Eine solche Parallele sucht man im Film vergebens. Demzufolge fehlen auch völlig die entsprechenden Personen einer zweiten Familie. Ähnlich dem Drama, daß an zahllosen Stellen durchaus komisch ist, kippt auch die Stimmung des Filmes urplötzlich ins dramatische um, etwa als sich Shakespeare irrtümlich für den Tod des Murdoch verantwortlich glaubt, was jedoch keine Parallele zum Drama darstellt. Hingegen die Verwechslung der beiden Poeten, die zu Violas Irrglaube führt, nicht Murdoch sondern der geliebte Shakespeare sei tot, zieht eindeutige Parallelen zu Romeo, der Julia endgültig tot glaubt. Diese sehr dramatischen Situationen werden jedoch völlig anders aufgelöst und enden stets positiv. Auch die Gewalttaten, etwa der Tod Murdochs, werden dem Zuschauer nie gezeigt, sondern lediglich erwähnt, um die Brutalität zu relativieren, wobei das Geschehen auf der Bühne des Theaters, in dem das Dramas aufgeführt wird, stets präsent ist, da das für jedermann jederzeit als Spiel erkennbar ist, was die Gewalt relativiert und verharmlost. Das Drama „Romeo und Julia“ hingegen zeigt diese Gewalt offen.
Immer wieder übernommen werden Dialoge aus dem Drama, die entweder die Quelle für die Dialoge bilden oder aus dem Drama zitiert werden.
Amüsant ist der Versuch, den Ursprung zahlreicher bekannter Phrasen aus dem Werk zu erklären, wenn Sätze fallen, die für den Zuschauer als Abwandlungen bekannter Redewendungen erkennbar sind. So geschieht dies, wenn Viola des Satz sagt „Es war die Eule und nicht der Hahn.“ woraus später das berühmte „ Es war die Lerche und nicht die Nachtigall.“ werden soll. Auch die Anlehnung, das Mondlicht erfülle den Raum und nicht das Tageslicht, erinnert an „Es ist ein Meteor, der die Sonne aushaucht“. Zusätzlichen Witz bezieht der Film aus der Tatsache, daß er zahlreiche Stellen des Dramas, die für uns heute zweideutig klingen, in diesen eindeutig zweideutigen Zusammenhang setzt, etwa als beide miteinander schlafen und Shakespeare zu Viola sagt „O, will thou leave me so unsatisfied?“.
Eine interessante Spielart zeigt die Montage mancher Szenen, in denen offen bleibt, ob Shakespeare und Viola gerade die Dialoge des Dramas nachsprechen oder ob sie gerade den Ursprung dieser Dialoge bilden. Überhaupt dreht sich der Film hier im Kreis, denn als Zuschauer frage ich mich, ob die Handlung des Filmes, die ich jetzt einmal als real definiere, als das Drama begründend oder durch das Drama inspiriert gelten soll. Gerade durch diese Fragestellung zeigt sich, daß der Film eher als Mischung aus dem fiktiven Stoff des Dramas (und nicht als Adaption) und biographischer (aber ebenso frei erfundener) Daten Shakespeares zu verstehen ist. Zudem fehlt ihm das dem Drama typische „tödliche“ Ende und die Trennung der beiden Liebenden muß ich eher als Kompromiß sehen, die beiden „wenigstens“ überleben zu lasen, wenn sie sich denn schon nicht bekommen.