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Sleepy Hollow (USA 1999, Regie: Tim Burton) 1. Köpfe werden rollen

„Und ich sah, und siehe, ein fahles Roß, und der auf ihm saß, dessen Name ist „der Tod“, und die Unterwelt war sein Gefolge.“

Offenbarung 6, 8 Der Film erzählt die Geschichte des Polizisten Ichabod Crane (Johnny Depp), der in die abgelegene Ortschaft Sleepy Hollow geschickt wird, um mehrere Morde, bei denen den Opfern die Köpfe abgetrennt wurden, aufzuklären. Es stellt sich heraus, daß der Geist eines vor vielen Jahren getöteten Reiters, der „Headless Horseman“ (Christopher Walken), die Morde begangen hat, jedoch von Lady van Tassel (Miranda Richardson) gesteuert wird, die damit an eine Erbschaft zu kommen hofft. Der Film des 1958 geborenen Tim Burton basiert auf der alten und in den USA sehr beliebten Halloween-Geschichte „The Legend of Sleepy Hollow“ (dt. Titel „Die Sage von der schläfrigen Schlucht“) von Washington Irving und stammt, will man dem Autor Glauben schenken, aus den Papieren eines verstorbenen Diedrich Knickerbocker, wobei es sich in Wahrheit jedoch um den Autor selbst handelt. Burton bedient sich hierbei allerdings lediglich einiger Elemente der Kurzgeschichte und verändert diese zudem stark, so daß eine neue eigenständige Geschichte erzählt wird. Diese etabliert Burton im Jahre 1799. In bester Hitchcock-Manier gibt Burton bereits von der ersten Minute an Hinweise, die über den Hintergrund der Machenschaften der Lady van Tassel berichten, doch wird der Zuschauer diese nicht wirklich wahrnehmen. Viel zu unheilschwanger liegt die Musik mit ihren grummelnden Streichern und den tiefen Blechbläsern über dem Geschehen und das rote Siegelwachs, das auf das eben unterzeichnete Dokument, dem Testament Van Garrets (Martin Landau), tropft, wirkt vielmehr wie Blut unter ein Dokument, bei dem alle Unterzeichner soeben ihr eigenes Todesurteil unterschrieben haben. Unausweichlich wird deren Schicksal im wahrsten Sinne des Wortes besiegelt und dieses Siegel zeigt, einem bösen Omen gleich, eben jene Windmühle, in der später ein Teil des Final stattfinden wird. Überhaupt wird dadurch Burtons Vorliebe für klassischen Horror- und Gruselfilme deutlich, stellt das Motiv der Windmühle doch einen klaren Verweis auf klassische Frankenstein-Filme der 30er Jahre dar. Auch bei der nachfolgende Kutschfahrt beweist Tim Burton sein Gespür für Gruseleffekte und Timing, denn viel zu schnell fügt er diese Fahrt an die Sequenz mit dem Versiegeln des Dokumentes, als daß der Zuschauer das eben Gesehene verarbeiten könnte. Die schwarze Kutsche eilt mit ihrem Passagier durch die nebelverhangene Nacht, während im Hintergrund ein Gewitter aufzieht und, wie sich später herausstellen wird, von der Ankunft des Headless Horseman kündet. Der Schauer, der mich dabei beschleicht, entsteht auch über die Tonebene, denn zu sehen sind meist nur Details der Kutsche oder Martin Landau, der sich im Inneren aufhält und unsicher durch das Fenster blickt, wodurch das Gesamtgeschehen im Verborgenen bleibt. Er erkennt ein Feld und in diesem befindet sich eine Vogelscheuche, deren bösartiges Lächeln von einem bearbeiteten Kürbiskopf herrührt. Burton unterstreicht zum einen dadurch deutlich, daß es sich bei der Sage um Sleepy Hollow um eine klassische Halloween-Geschichte handelt und desweiteren zitiert er sich selbst, indem er auf die von ihm geschaffene Figur des Jack Skellington aus „Tim Burton´s Nightmare before Christmas“ (USA 1993) verweist, der als Kürbiskönig von Halloween-Town agiert. Burtons Vorliebe für morbide Motive aus der Welt des „Gothic Horrors“ wird an jeder Stelle des Filmes deutlich. Im besten Stil der schwarzen Romantik ist nahezu jedes Bild, das im Freien spielt, mit Nebel verhangen, die vieles oft nur erahnen lassen. Er unterstreicht immer wieder die Schönheit des Morbiden, etwa wenn Ichabod und Katrina die Ruine des alten Archer-Hauses besuchen und der Kamin noch erahnen läßt, welch schöne Stunden einst hier verlebt worden sein müssen. Der Blick zurück offenbart eine Vergangenheit voller Wärme und Behaglichkeit und auch ein Stück Heimat, das längst vergangen ist. Der Hauch des Geheimnisvollen ist vielmehr in jedem Winkel spürbar und auch die Tatsache, daß die Geschichte im Herbst bzw. im Winter spielt, macht deutlich, daß sich Burton hier des romantischen Klischees bedient, das von kalten Herbsttagen ausgeht, in denen die Natur in tiefen Schlaf gefallen ist und bei den Menschen eine eher melancholische Stimmung vorherrscht. Tim Burton unterstützt dies ebenso durch die verwendeten Farben wie durch Entsättigung und Bearbeitung des Filmmaterials und erreicht damit einen optischen Effekt, der an Schwarz-Weiß-Film erinnert. Hierdurch erreicht er eine Atmosphäre, die an alte Gruselklassiker des Stummfilmes erinnert und dem Filme eine gespenstische Atmosphäre verleiht. Und diese wird sich sofort einstellen, denn daß bereits Gefahr im Verzug ist, wird dadurch deutlich, daß mit jedem Schnitt die Kamera ein Stückchen näher an die Kutsche heranrückt, bis sie im Inneren auf Van Garrett verharrt. Plötzlich huscht im Hintergrund ein Reiter durchs Bild. Laut und überdeutlich ist das Wiehern seines Rappen zu hören. Auch der Rest des nun folgenden grausigen Geschehens wird fast ausschließlich über die Tonebene vermittelt. Das Wiehern des Pferdes, das Herausziehen des Schwertes aus der Scheide sowie das bald charakteristische „Chopp!“-Geräusch, welches mit dem Abtrennen des Köpfe einhergeht, lassen lediglich erahnen, welch grausames Spektakel sich hier ereignet. Den Mörder des Kutschers wird nicht gezeigt, sondern lediglich das Ergebnis. Als Van Garrett die kopflose Leiche erblickt, springt er aus der immer noch in wilder Fahrt dahinrasenden Kutsche und hastet in Todesangst durch das Maisfeld. An der grimmig dreinschauenden Vogelscheuche hält er inne. Ihre Fratze trägt typische Merkmale Burtonscher Ästhetik: Ihre spinnenartigen Arme ragen steil in den Himmel, als wolle sie jede der dunklen Wolken einzeln herunterkratzen. Ihre Gesichtszüge laufen spitz und scharfkantig zu, als sei es die Boshaftigkeit selbst, die hier portraitiert wird. Als Van Garrett sich umdreht, steht er seinem für mich noch immer unsichtbaren Mörder gegenüber und mit dem erwähnten „Chopp!“ wird ihm der Kopf abgeschlagen. Blut spritzt gegen die Fratze der Vogelscheuche, als wolle der Headless Horseman sie verhöhnen, als Schreckensvision zu gelten, wo sie doch absolut harmlos ist und die eigentliche Gefahr von ihm ausgeht. Überhaupt wird das Anspritzen einer Person, vorzugsweise die des Ichabod Crane, mit Blut zu einem Leitmotiv des Filmes werden, ebenso wie das erstarrte Entsetzen in den Gesichter der abgetrennten Köpfe, die immer wieder in die Kamera starren und den Moment des Entsetzens über die Grausamkeit des eigenen Todes festhalten. Und die Zahl der Gesichter, die mich totenstarr anblicken, wird hoch sein, denn mit dem Tod des Van Garrett beginnt das Grauen in dem verschlafenen Ort Sleepy Hollow und jedem der dort lebenden Einwohner ist klar: Köpfe werden rollen.