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5. Die Gegenspieler: Sherlock Holmes und Doktor Watson ?

„I was seven when I lost my faith“

Ein beliebtes Mittel, eine bestimmte Person auf eine gewünschte Art darzustellen, ist, ihr eine Person gegenüberzustellen, die das direkte Gegenteil verkörpert. Dies trifft auch auf den Polizisten Ichabod Crane zu, wenngleich dessen Darstellung um Welten von der bislang aus der Sage bekannten Figur abweicht, denn dort ist er als Dorfschullehrer beschäftigt. Auch sein Äußeres ist wenig attraktiv: Er hat einen zu kleinen Kopf, ungeheure Ohren, gläserne grüne Augen, eine lange Schnepfennase und einen viel zu dünnen Hals. Dem gegenüber steht der attraktive Schauspieler Johnny Depp, der im Film diesen Charakter verkörpert. Und dennoch gelingt es Depp durch seine Darstellung, einen neue Version des Ichabod Crane zu verkörpern, der als äußert schreckhaft gelten darf und der sein Handeln fast ausschließlich auf das Fundament wissenschaftlicher Theorien stellen will. Immer wieder überraschend ist dabei Depps Mut zur Häßlichkeit, die sich allein darin zeigt, daß er wünschte, bei den Dreharbeiten nicht geschminkt zu werden. Auch das ihn permanente anspritzende Blut, das sich fast leitmotivisch durch den gesamten Film zieht, gehört dazu. Durch seine Angst, die ihn fast pausenlos befällt, darf er somit als eine Art Anti-Held gelten, jedoch auch als Gegenpol zu dem Headless Horseman, denn dieser erscheint eben dadurch, daß ich sehe, wie er auf Crane und die anderen Einwohner wirkt, noch furchteinflößender. Entscheidend ist aber, daß Crane als ein überzeugter Kopfmensch gelten darf, während der Headless Horseman als triebgesteuertes Wesen auftritt, dem es aufgrund der Tatsache, daß ihm der Kopf eben fehlt, weder auf Fragen noch auf Diskussionen reagieren wird. Es ist der Trieb, der ihn zu seinen Taten antreibt und eben jener scheint erst befriedigt, wenn dieser befriedigt, also der Auftrag ausgeübt ist. Einen Prozeß gegenseitiger Annäherung kann es also nicht geben. In der Farbe der Kleidung unterscheiden beide sich nicht sonderlich, doch dadurch, daß Johnny Depps Kopf sehr blaß wirkt, wird der Kontrast und damit die Betonung des Kopfes um so deutlicher, der dem Reiter eben fehlt. Und genau dieser Kopf sagt Crane, daß es unmöglich sein kann, daß ein Geist die Morde begangen haben kann. Und so wie Batman seinen Antrieb aus dem Trauma des gewaltsamen Todes der Eltern bezieht, so wird auch Cranes Handeln durch traumatische Erlebnisse aus der Kindheit motiviert. Während sein Vater als Prediger ein gottesfürchtiger Mann ist, neigt seine Mutter zu Träumereien und der Beschäftigung mit bislang ketzerischen Ideen. Von ihr erhält er auch das Spielzeug, das den Kardinalsvogel, der ihn nun für immer begleitet, scheinbar in den Käfig fliegen läßt. Der Tanz der Mutter im Blütenregen darf hierbei noch als ein Zitat des Filmes „Edward Scissorhands“ (USA 1990) gelten und auch die Farbenpracht hat Elemente des Hammer-Glamours, doch hinter der Fassade des Vaters steckt ein gewalttätiger Mann, der vielmehr Teufel denn Prediger ist. Die weiße Wand, die als Motiv in Cranes Träumen immer wieder auftaucht, darf als vordergründiges Indiz für die vermeintliche Unschuld gelten. Doch ähnlich der Bewohner von Sleepy Hollow kann es keine Unschuld geben und so wirkt der rote Teppich wie eine Blutspur, die hinter die makellose Fassade führt und auch hier sind die Räume trist und mit dunklen Schatten erfüllt. Auch hier gibt es eine Welt, die nochmals grausamer ist und bei der der junge Crane in eine Art Gegenwelt eintritt, in der das Mystische der real existierende Normalzustand ist, während die Wissenschaft ein Werk des Teufels ist. Im dritten Traum erscheint der Vater schon beinahe wie ein körperloser böser Geist, wenn er quasi durch die Kamera hindurchschreitet, und im Gegenschuß aussieht, als würde ihm der Kopf fehlen und somit als Gegenstück zu dem kopflosen Reiter anzusehen ist, denn auch der Vater verkörpert die Metaphysik und das Irrationale, das in letzter Konsequenz den Tod bringt. Unzweifelhaft erinnert er somit an mittelalterliche Darstellungen des Todes und eben jenen verkörpert er auch: Die rote Tür führt den jungen Ichabod in die Folterkammer, die deutlich an „The Pit and the Pendulum“ (USA 1961, Regie: Roger Corman) erinnert, wobei Burton auch hier eigene Elemente einbaut, wenn er die eiserne Jungfrau in der gleichen Weise gestaltet, wie seine Figuren in „Vincent“ (USA 1982) oder „Tim Burton´s The Nightmare before Christmas“ (USA 1993). Erst spät erkennt der Junge, daß die großen, weit geöffneten Augen, ebenfalls ein typisches burtonsches Element, der eisernen Jungfrau, die ihn beschwörend anstarren, die der mit dem Tode ringenden Mutter sind, die letztlich aus der sich öffnenden metallischen Hülle, Murnaus „Nosferatu“ gleich, in Klappmessertechnik herausfällt. Das Gesehene läßt Crane noch heute erschaudern und jegliche Spiritualität ablehnen. Einen ersten Bruch in seinem Glauben an eine reale Erklärung erhält er jedoch, bei dem Streich, der ihm Brom Van Brunt (Caspar Van Dien) spielt und der in der „Sage von der schläfrigen Schlucht“ der eigentliche Höhepunkt der Handlung darstellt. Doch das Lachen der Männer beweist Crane, daß er letztlich das Opfer eines üblen Scherzes wurde. Überhaupt darf Ichabod Crane immer eine Spur ängstlicher sein als es das Publikum selbst ist, so daß dieses sich nicht nur gruseln, sondern auch über ihn lachen darf, was ihm fast jegliche Kompetenz abspricht, diesen Fall lösen zu können. Um trotzdem dieser Aufgabe Herr zu werden, nimmt er sich des jungen Masbeth (Marc Pickering) an, der einsam nach der Beerdigung seines Vaters zurückbleibt. Doch auch hier fehlt dem Polizisten die Motivation, ihn anzusprechen. Masbeth selbst tut dies und wendet sich somit an den einzigen in der Gruppe Trauernder, der nicht aus dem Ort stammt, während die Einheimischen in schwarzer Kleidung fast schon eins werden mit den ebenfalls schwarzen Grabsteinen. Ichabod Crane und Young Masbeth arbeiten nun als Team und nicht selten, etwa wenn Crane in einem Meer aus Zetteln sitzt, mit denen er ein Schaubild zu erstellen versucht und Masbeth auf dem Sessel skeptisch zusieht, erinnern beide dabei an das großartige Gespann Sherlock Holmes und Dr. Watson.