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7. Das Hexenorakel

By a route obscure and lonely, haunted by ill angels only, Where an Eidolon, named NIGHT, on a black throne reigns upright, I have reached these lands but newly from an ultimate dim Thule – From a wild weird clime that lieth, sublime, Out of Space – out of Time.

Aus: „Dreamland“, by E. A. Poe Um dem Geheimnis, das den Headless Horseman umgibt, auf den Grund zu gehen, entschließt sich Crane zusammen mit Young Masbeth die westlichen Wälder aufzusuchen, wobei recht schnell klar wird, daß Burton hier erneut mit der kindlichen Angst vor dem Wald spielt. Die Bäume sind fast ohne Laub und wirken wie tot, während welke Blätter alle Schritte dämpfen und somit auch alle akustischen Lebenszeichen ersticken. Ähnlich einer Kathedrale erheben sich rechts und links des Weges die Bäume, laufen spitz zusammen und wirken dabei wie Klauen, die die Eindringlinge fest im Griff haben. Masbeths Anmerkung, es gebe keinerlei Geräusche und auch Vögel seien nicht mehr zu hören, verstärkt diesen Aspekt der Einsamkeit und der damit verbundenen Hilflosigkeit zusätzlich, bezieht sich aber auch auf das Übernatürliche, das selbst die Tiere verstummen läßt. Dies darf zudem als ein weiteres Zitat aus „Horror of Dracula“ (England 1958, Regie: Terence Fisher) gelten, denn auch bei der Ankunft des jungen Harker (John Van Eyssen) am Schloß des blutsaugenden Grafen verstummen alle Vögel und es ist totenstill. Die Bäume der westlichen Wälder bilden jedoch nicht nur eine Art Dach, sie weisen vielmehr Crane und Masbeth den Weg direkt zu einer Höhle, die jedoch vielmehr an eine Art Hexenhäuschen erinnert und damit auf das Märchen von Hänsel und Gretel anspielt. Überraschend ist zunächst, daß die Höhle in ihrem Inneren weniger der kalte Stein dominiert, auf den man vom Äußeren hätte schließen können, sondern die Behausung vielmehr an eine Erdhöhle erinnert, die von Innen zudem deutlich größer ist, als es von Außen vermuten ließ. Die Höhle scheint hierbei die Symmetrie des Waldes fortzusetzen, denn ihre Decke schließt sich kuppelartig und gleicht sich somit den Bäumen an, wodurch sie keineswegs als Fremdkörper, vielmehr als Teil eines Ganzen wirkt. Wurzeln durchziehen die Decke und im Hintergrund scheint es eine Art See zu geben, der jedoch im Verborgenen bleibt. Nur das Licht, das sich auf dem Wasser spiegelt und den Raum in ein eigenartiges mystisches Licht taucht, welches unmöglich von der Unmenge der aufgestellten sakral anmutenden Kerzen stammen kann, läßt darauf schließen, welche Dimensionen die Höhle haben muß und gleichsam dafür steht, daß auf Crane unter der unscheinbaren Oberfläche noch viele Geheimnisse erwarten werden. Auf der Tonebene vollzieht sich bereits mit dem Annähern an die Höhle ebenfalls ein Wechsel, denn der sphärische Gesang der weiblichen Stimmen steht weniger im Gegensatz zu den bislang dominanten dunklen Klängen der Streicher und Bläser, sondern gilt vielmehr als Ergänzung zu ihnen, deuten sie doch an, daß die beiden in dieser Höhle nun endlich auf ein lebendiges Wesen stoßen werden, wobei es zunächst noch unklar ist, welcher Art dieses Leben sein mag, so daß sogar die Kamera für einen kurzen Moment Masbeth und Crane vorauszuschicken scheint und selbst hinter einem Baum Deckung zu suchen scheint. Bewohnt ist diese Höhle tatsächlich von einer Hexe, deren braunes Gewand die Farbe der Erde aufgreift und sich damit auf Erdmythen bezieht. Große Bereiche ihrer Kleidung und ihres Gesichts sind von einem spinnwebartigen Schleier bedeckt. Sie erklärt sich bereit, Ichabod zu helfen, wozu sie zunächst von dem toten Kardinalsvogel abläßt. Dieser Vogel zieht sich leitmotivisch immer wieder durch den Film und ist zum einen auf dem Spielzeug der Mutter wie auch in New York zu finden, wo ein solches Exemplar von Crane in die Freiheit entlassen wird. Das Auftauchen des toten Vogels hat an dieser Stelle jedoch eine verstörende Wirkung, da hier der Eindruck erweckt wird, daß es sich um Cranes Vogel handelt, wodurch dessen Handeln als sinnlos erscheint, denn die gut gemeinte Freilassung des Tieres endete in seinem Tod. Zudem steht es für das Ende von Cranes Versuchen, alle Geschehnisse auf logische Weise erklären zu wollen, so wie er den Vogel im Käfig mittels einer optischen Täuschung erklären kann. Die Hexe beginnt nun ein Gebräu aus allerlei Zutaten und Getier zu mischen, um dadurch, berauscht durch dessen Wirkung, dem irritierten Crane den Weg zum Headless Horseman zu weissagen, womit ihre Vorgehensweise stark an das antike Orakel von Delphi erinnert. Auch hier ließ sich die Pythia durch Gase aus Erdspalten berauschen, um ihre oft geheimnisvollen und mehrdeutigen Weissagungen treffen zu können. Im Gegensatz zu den Ratsuchenden der Antike erhält Crane den eindeutigen Rat, dem indianischen Pfad zu folgen bis zu dem Ort, wo die Sonne stirbt und der „Tree of the Dead“ steht. Der indianische Pfad greift ebenfalls alte Mythologien auf und bezieht sich somit ebenfalls auf eine Zeit, die lange vergangen ist und von der nur noch Sagen von fremder Zauberei und Geheimnissen künden. Doch auch diesen Rat bekommt Crane nicht ohne Schrecken, denn die Hexe, die lange Zeit still verharrend ihr Gesicht unter dem Schleier verborgen hält, offenbart nun ihr zweites Gesicht. Das Gesicht, das sich zuvor unter dem hauchdünnen Schleier erahnen ließ, ist eingefallen und wirkt wie ein Totenschädel. Ihre Augäpfel schießen Crane entgegen, wobei diese von Schlangen im Maul gehalten und auch die Zunge mutiert zu einem züngelnden Reptil, ehe sie sich, zusammen mit den Augen in die Schädelöffnungen zurückziehen und somit andeuten, daß nun überirdische Kräfte die Kontrolle über den Körper übernommen haben. Ihre Arme hat sie zum Schutze Cranes mit Ketten gefesselt, wobei es hier erneut deutlich wird, daß der Logik Cranes die entfesselten Triebe entgegengesetzt werden. Mit metallisch-verzerrter Stimme tut sie ihre Weissagungen kund, ehe sie in sich zusammensackt und der verstörte Crane diesen Ort verläßt, um den Ort zu finden, an dem die Sonne stirbt, was klar macht, daß es sich um einen Ort der Kälte handeln muß, wo das Böse so dominant ist, daß sogar Licht und Wärme sterben. Immer tiefer führt die beiden der alte indianische Pfad, in den Wald hinein, ehe sie, schließlich zusammen mit der inzwischen zu ihnen gestoßenen Katrina, die mit ihrer weißen Kleidung und ihrem weißen Pferd im Gegensatz zu dem schwarz gekleideten Horseman für das reine Gute steht, vor dem „Tree of the Dead“ stehen.