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10. Des Rätsels Lösung und ein Happy End

Als Lady Van Tassel ihren Tod vortäuscht, spielt erneut ihr Kleid eine wichtige Rolle, um ihren Charakter zu reflektieren. Sie trägt, als sie nahe des Waldes Kräuter pflückt, ein Kleid, welches sich an dem Schattenspiel des Waldes und der Rinde der Bäume orientiert. Zum einen drückt dies ihren dunklen Charakter aus, zum anderen aber weckt es Assoziationen zu dem Ort, aus dem der Headless Horseman gleich erscheinen wird. Zudem erinnert es stark an ein Spinnennetz und tatsächlich ist sie die Spinne, die in ihrem Netz die Fäden zu ziehen versteht. Während es im Hintergrund bereits anfängt, zu blitzen und somit die Ankunft des Reiters ankündigt, wirft das Licht einen Schatten auf ihren Ausschnitt und symbolisiert somit das schwarze Herz, daß in ihrer Brust schlägt. Als der Horseman aus dem bläulichen Licht des Waldes erscheint und die Einwohner von Sleepy Hollow Schutz in der Kapelle suchen, wird sehr schnell deutlich, daß auch der Horseman Grenzen kennt, denn die Schwelle zur Kirche kann er nicht überschreiten, womit Burton das klassische Motiv aufgreift, nachdem heilige Erde für das Böse tabu ist. Die Verwendung so weltlicher Dinge wie den Pfahl des Zaunes sind nötig, um den gedungenen Mörder das Ziel erreichen zu lassen. Ichabod Crane verläßt Sleepy Hollow, erkennt aber aufgrund seiner Beschäftigung mit dem Spielzeug seiner Mutter, daß er einer Täuschung erlegen ist. Erneut wird die Kombination der Logik mit dem Übernatürlichen deutlich sowie deren Akzeptanz und der Unterscheidung von weißer und schwarzer Magie. Ichabod kommt gerade noch zur rechten Zeit zurück, um das Täuschungsmanöver der Lady Van Tassel, die sich unterdessen Katrina offnebart und aus dem Dunkel des Raumes wie ein böser Geist auftaucht, zu durchschauen und ihr in die Windmühle, in der sie einen erneuten Anschlag des Headless Horseman vorbereitet, zu folgen. Lady Van Tassel sitzt dabei wie ein indianischer Schamahne vor einem Feuer und beschwört mit allerlei Hexerei den Headless Horseman. Bei ihrer Arbeit wird deutlich, daß Burton auch hier mit Gegensätzen arbeitet, wie er es bereits zuvor mit Katrina und dem Reiter tut: Während ihre isoliert lebende und wenig attraktive Schwester ihre Kraft nutzt, um zu helfen, führt die attraktivere reiche Lady Van Tassel Böses im Schilde. Die Windmühle selbst darf als Zitat an die klassischen Frankenstein-Filme verstanden werden, wobei selbst die große Treppe im Inneren, ein immer wiederkehrendes Motiv, nicht fehlt. Der Turm weist zudem ebenfalls expressionistische Elemente auf, sind die Flügel doch eindeutig an die „Batwings“ aus den Filmen „Batman“ (USA 1989) und „Batman Returns“ (USA 1992) angelehnt. Steil und spitz ragt die Windmühle, von dürren Bäumen umgeben auf einem kleinen Hügel stehend, in den Himmel, dunkle Wolken schweben unheilsschwanger wie ein Damoklesschwert über dem Gebäude, als wüßten sie schon ob der bevorstehenden Auseinandersetzung, die von der Kamera geschickt vorbereitet wird, wenn der herannahende Horseman von links nach rechts und Ichabod von rechts nach links reitend gezeigt werden, so daß sich beide unweigerlich bei der Windmühle treffen müssen. Überhaupt ist die Windmühle und der damit einhergehende Verweis auf die Frankenstein-Motivik typisch für Tim Burton, verwendet er das gleiche Motiv auch in seinen Filmen „Frankenweenie“ (USA 1984) und „Tim Burton´s Nightmare before Christmas“. Auch ist das Bild eines Gebäudes auf einem Hügel typisch für Hammer-Filme, aber eben auch für Burtons Werke, denn sowohl in „Beetlejuice“ (USA 1988) wie auch in „Edward Scissorhands“ (USA 1990) spielt dieses Motiv eine wichtige Rolle. Das Innenleben der Windmühle zeigt Burtons Begeisterung für große Maschinen und Räderwerke, deren genau Funktionen oftmals im Ungewissen bleiben. Dabei will ich nur an die aufwendige Maschinerie des Erfinders zum Backen von Plätzchen in „Edward Scissorsands“ erinnern und die Assoziationen mit dem Räderwerk einer Uhr weckt. So hat eine solche Szenerie aber auch immer etwas von Computerspielen, bei denen der Spieler oftmals verschiedene Aufgaben erfüllen und Hebel und Räder in Bewegung setzen muß, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Mit verschiedenen Hebeln setzt Ichabod die Mühle in Bewegung, erweckt sie quasi zum Leben, um den Horseman zu entkommen. Doch die Zeit, die er, ebenso erinnernd an Frankenstein, durch die Explosion der Mühle gewinnt, ist lediglich geborgt, denn anders als bei vielen bekannten Horrorfilmen, bei denen die totale Zerstörung der Gegners vonnöten ist, übersteht der Untote die Detonation und nimmt die Verfolgung der fliehenden Ichabod, Masbeth und Katrina auf. Fast hat dies den Anschein, als würde Burton eine Vernichtung des Horseman verweigern, was bei Burtons allgemeiner bekannter Faszination von bösen Charakteren allerdings nicht weiter verwundert. Auch auf der Flucht, die durchaus an Camerons „Terminator 2 – Judgment Day“ erinnert, wenn der Horseman sich nicht abschütteln läßt und schließlich die Kutsche erreicht, wird klar, daß es für Crane und seine Gefährten kein Entkommen gibt, indem sie ihren Gegner zerstören. Ein erbitterter Kampf beginnt und wenn das Schwert des Reiters auf die Tasche Ichabods trifft, die dessen Instrumente beinhaltet, so ist dies letztlich doch ein Stellvertreterkrieg, bei dem Metaphysik gegen Wissenschaft antritt. Und obwohl Ichabod blindlings flüchtet, so scheint eine unbekannte Macht sie doch zum „Tree of the Dead“ hinzuführen, wo alle Gegenspieler nach einer wilden Jagd erneut aufeinander treffen. Ichabod erkennt, daß er Lady Van Tassel den Kopf des Reiters entreißen muß, den sie in einem Beutel bei sich trägt und somit erneut eine Parallele zu diesem zieht, der ebenfalls seine Beute in einem Sack packt. Es entbrennt ein Kampf, der eigentlich der Kampf zweier Frauen ist: Ichabod kämpft für einen Mann völlig untypisch. Er und die Lady wälzen sich auf dem Boden, ziehen sich an den Haare oder halten sich an der Kleidung des Gegenüber fest, während der Headless Horseman unbeirrbar und von Blitzen umgeben zu Katrina marschiert. Schließlich ist es Young Masbeth, der mit einem schweren Ast Lady Van Tassel bewußtlos schlägt und es Ichabod ermöglicht, den Kopf des Reiters zu erreichen, den er diesem zuwirft. Der Hesse läßt von Katrina ab und setzt sich den eigenen Kopf auf, worauf ein Prozeß der Wiederherstellung in Gang gesetzt wird. Adern, Muskeln und Haut winden sich wie Schlangen zurück an ihren alten Platz und vervollständigen den Kopf, so daß hier nicht die durch Konventionen gewohnte Zerstörung des Gegner, sondern vielmehr seine Wiederherstellung gezeigt wird. Ein kurzer Moment der Unsicherheit herrscht noch vor, als der Horsemn zu Ichabod und Katrina blickt, doch gilt sein Interesse nicht den beiden Liebenden, sondern vielmehr der Ankunft seines Pferdes, daß er fast liebevoll in die Arme schließt. Erneut ohne verständliche Artikulation, statt dessen schreiend greift er sich die am Boden liegende Lady Van Tassel. Erneut verkehrt Burton die Situation, denn grundsätzlich hat es ja etwas märchenhaftes, wenn Roß und Reiter mit dem Fräulein zusammen durch den Wald reiten, doch ist es nicht der tapfere Prinz, sondern vielmehr der Vampir, welcher der Lady die spitzen Zähne ins Fleisch bohrt und ihm daraufhin deren Blut aus den Mundwinkeln läuft, ehe er mit ihr zwar nicht im Abendrot, sondern statt dessen im Baum des Todes verschwindet. Lediglich ihre Hand ragt noch aus dem Wurzelwerk, als wolle sie alle Zurückgebliebenen zu sich winken, worauf Ichabod ein letztes Mal in Ohnmacht fällt. Burton gelingt mit diesem Finale das Kunststück, beinahe jedem Charakter ein Happy-End zu ermöglichen. Im Jenseits hat der Horseman nun nicht nur Kopf und Seelenfrieden, sondern auch eine Frau, die ihm, wenn auch nicht ganz freiwillig, gefolgt ist, während im Diesseits Ichabod und Katrina als Paar nach New York zurückkehren und ein Sleepy Hollow zurücklassen, in dem der Frühling einzukehren scheint und auch die Schafe wieder fröhlich über die Wiesen springen. Nur in New York hat sich dies wohl noch nicht herumgesprochen, denn dort erwartet die Helden noch immer die Kälte des Winters, die wohl auch für die Stimmung steht, die dort dem Polizisten das Leben weiter schwer machen mag. Und auch der junge Masbeth folgt den beiden in die Großstadt, wenn er auch immer noch die Rolle des Assistenten bzw. des Dieners spielen muß, so daß für ihn das Happy End noch ausstehen mag.