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4. Die Sage wird Realität

Alles ist still in Sleepy Hollow und lediglich ein Uhu durchschneidet mit seinem Ruf die Totenstille. Die Bewohner haben sich schlafen gelegt und nur im Wachturm am Rande des Dorfes wacht der bewaffnete Johnathan Masbeth (Mark Spalding). In der Nähe brennen Fackeln und werfen ein flackerndes Licht auf die Szenerie. Interessant erscheint mir hierbei, daß es im Inneren des Turmes, aus dem Masbeth ängstlich herausschaut, trotz der Lampe deutlich dunkler ist als draußen und die stärkste Lichtquelle von außen kommt, was den übernatürlichen Charakter betont, jedoch auch andeutet, daß sich Masbeth in seiner kleinen Festung keineswegs sicher fühlen kann. Getreu der alten Hammer-Filme verzichtet Tim Burton hierbei auf eine realistische Darstellung der Nacht und nutzt bei der Ausleuchtung vielmehr einen High-Key-Stil, wodurch die Details der Umgebung deutlich erkennbar sind. Und trotzdem ist die Sicht alles andere als gut, denn vom Wald her zieht erneut Nebel auf, der den Blick durch die ohnehin sehr eng beieinander stehenden vollends verwehrt. Unheilschwanger liegt düster die Musik über der Szenerie, während mit Geblöke eine Herde Schafe vorbeizieht und damit erneut die Stille unterbricht. Und erneut wird sich der Headless Horseman ein Opfer aussuchen, das er auf die Schlachtbank führen wird. Wie mit langen spindeldürren Fingern greift der Nebel plötzlich nach dem Feuer der Fackeln und erstickt die Flammen mit naßkalten Händen. Burton gelingt es damit virtuos, bildlich darzustellen, wie es ist, wenn die feuchte Kälte einer nebeligen Nacht nach einem Menschen greift, der sich innerhalb des Nebels aufhält und spürt, wie die Kälte am Körper emporsteigt. Zudem betont es den geisterhaften Charakter der Spukgestalt, die gleich erscheinen wird und die offenbar auch die Natur beherrscht, denn das Verlöschen der Fackel wirkt, als wolle der Headless Horseman den wartenden Masbeth einschüchtern und somit dessen nahes Ende dramaturgisch vorbereiten. Eine Herde Rehe, Symbol für Unschuld, prescht aus dem Wald und flüchtet zur Seite, als wollten sie ein Zusammentreffen mit dem Todgeweihten vermeiden. Auch er ist unschuldig, doch die Frage nach Schuld oder Unschuld stellt Tim Burton ohnehin nicht. Johnathan Masbeth ist eine Figur, die die intrigante Lady Van Tassel aus dem Weg räumen muß, um an ihr Ziel zu gelangen. Der Headless Horseman, der als ihr Werkzeug fungiert, prescht im Galopp heran und obwohl er nun schon mehrere Morde begangen hat, vermeidet es Burton noch immer, daß ich als Zuschauer ihn zu Gesicht bekomme. Das immer lauter werdende Geräusch des Pferdes und die Angst, die Masbeth ins Gesicht geschrieben steht, verschaffen einen Eindruck, welch grauenhafte Erscheinung da aus den Wäldern naht, wodurch die Spannung zusätzlich gesteigert wird. Durch den heftigen Hufschlag Daredevils unterstreicht Burton die Finalität des Geschehens und scheint diese erst dann zu unterbrechen, als der Schuß, den Masbeth abfeuert, die Akustik verändert. Das Wiehern Daredevils erinnert zunächst an die Ereignisse, die sich vor Jahren abspielten und die mit dem vermeintlichen Tod des Rappen begannen, doch ist dies nur eine trügerische Annahme, denn schon die nächste Einstellung zeigt den in wilder Panik fliehenden Masbeth, dem der Headless Horseman dicht auf den Fersen ist. Es erübrigt sich zu fragen, warum das Opfer die scheinbar sichere Trutzburg verlassen hat, denn zum einen kann auch diese keine absolute Sicherheit vor dem übernatürlichen Killer bieten und zum anderen kümmert sich Tim Burton in solchen Fällen nicht um logisches Handeln. Vielmehr kommt es ihm darauf an, bestimmte Bilder zeigen zu wollen, so daß er eher einen Bruch innerhalb der Handlung in Kauf nimmt als auf ein von ihm gewolltes Bild zu verzichten, was bisweilen dazu führen kann, daß Burton selbst die Orientierung verliert. Als Jack Nicholson in „Batman“ (USA 1989) die Stufen zum Glockenturm hinaufeilen soll und fragt, warum er dies tun soll, ist Burtons Antwort: „Ich weiß es nicht, wir sprechen morgen drüber, wenn Du oben angelangt bist.“ Die Verfolgung Masbeth durch den Headless Horseman zeigt zum ersten Mal, wie dieser tötet. Fast schon hat es den Eindruck, als renne Masbeth in einer Art Tunnel, der direkt ins Jenseits führt, als er den Weg entlang hastet, der durch ein eigenartiges Licht erhellt ist und in dem der Nebel zu stehen scheint. Die Bäume wirken hier fast noch lebloser als sie es ohnehin schon sind, während Blitze und Donner die Urangst des Menschen vor einem Gewitter ansprechen. Immer größer werden nun die Bildausschnitte, die den Reiter in Aktion zeigen, so daß, einem Mosaik gleich, Stück für Stück ein vollständiges Bild von ihm entsteht. Die gezückte Klinge nähert sich immer weiter dem Kopf des Fliehenden. Schließlich wird dieser mit dem bereits bekannte Geräusch abgetrennt und fällt wirbelnd zu Boden, wo er schließlich mit weit geöffneten Augen in die Kamera starrend, liegen bleibt. Gerade hier changiert die Darstellung deutlich, denn für einen „echten“ Horrorfilm ist die Darstellung zu ironisch und fernab jeglicher physikalischer Realität, für eine Komödie oder Kriminalgeschichte ist sie dagegen zu drastisch, zumal „Sleepy Hollow“ zugleich als Burtons bislang blutigster Film gelten darf.