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3. Die Legende vom Headless Horseman

„Thy soul shall find itself alone `Mid dark thoughts of gray tombstone – Not one, of all the crowd, to pry Into thine hour of secrecy.“

Aus: Spirits of the Dead, by E. A. Poe Unwissend dessen, was er in wenigen Augenblicken erfahren wird, betritt Crane das Kaminzimmer, wo er den Hausherren zusammen mit einigen illustren Männern aus dem Dorf antrifft. All dies verströmt deutlich das Flair eines exklusiven Clubs, in dem Frauen nicht geduldet sind und lediglich, wenn überhaupt, stören dürften, um Getränke zu reichen. Diese Clubatmosphäre, in der an die Legende des Headless Horseman an Crane herangetragen wird, verdeutlicht aber auch den Charakter der Spukgeschichte, den die „Sage von der schläfrigen Schlucht“ in jedem Falle besitzt und die man sich in Amerika wohl in der Tat am besten des nachts an einem prasselnden Kaminfeuer erzählt. So wird Ichabod Crane auch sehr langsam auf die kommende Geschichte vorbereitet, wenn zunächst nur spärlich erzählt wird und dem Polizisten nahe gelegt wird, sich vielleicht doch besser zunächst zu setzen. Und diese Schilderung wird wahrlich so schauerlich sein, daß Crane diese sofort in den Bereich der Mythen verbannen wird, denen man keinen Glauben schenken darf. Um so mehr ist der Erzähler davon überzeugt, daß in den westlichen Wäldern, die bis heute als verdammt gelten, der ruhelose Geist eines Reiters, der während der Befreiungskriege gegen England als hessischer Söldner aus Deutschland kam, herumspukt. Und so wird seine Erzählung wahrlich zu einer Begegnung mit einer Ausgeburt der Hölle, was sich bereits durch das Kaminfeuer, auf das die Kamera bei Beginn der Schilderung zufährt, andeutet, und das von zwei dämonischen Statuen rechts und links quasi bewacht wird, als hüteten diese das Tor zur Hölle. Es besteht keinerlei Zweifel, daß dieser „butcher“, wie ihn der erzählende Baltus Van Tassel (Michael Gambon) bezeichnet, nur deshalb nach Amerika kam, um seine Freude am Töten zu befriedigen. Hierbei erinnern die Kampfszenen, die in der Rückblende gezeigt werden, zweifelsohne an „Bram Stoker´s Dracula“ (USA 1992), bei dem der hier produzierende Francis Ford Coppola Regie führte. Brutal und gnadenlos tötet der Reiter und erinnert in seiner Inbrunst einmal mehr an ein die Beute reißendes Tier. Die Zähne sind spitz geschliffen, was diesen Eindruck eines Wolfes, eines Dämons oder aber eines Vampirs, in jedem Falle aber einer Bestie nur noch verstärkt. Die pechschwarzen Haare sind wild zerzaust und stehen in direktem Gegensatz zu den stechenden und leuchtenden blauen Augen des Reiters. Unweigerlich sehe ich mich an Geisterdarstellungen erinnert, wie sie etwa in John Carpenters „The Fog“ (USA 1980) vorkommen, bei denen einzig die leuchtenden Augen aus einem tiefschwarzen Etwas hervorstechen, wobei auch Tim Burton den Nebel selbst als ein absolut notwendiges Requisit anzusehen scheint. Und tiefschwarz ist in jedem Fall die Seele des Reiters, auch wenn die Haut seines Gesichtes fast schon weiß ist und dabei an den Schädel des Todes in mittelalterlichen Darstellungen erinnert. Hierbei kommt der Darstellung des Horseman natürlich noch entgegen, daß Tim Burton für dessen Rolle den Schauspieler Christopher Walken wählt, mit dem er bereits in „Batman Returns“ (USA 1992) zusammenarbeitete und von dem das Time-Magazin schreibt, er könne kleine Kinder allein dadurch erschrecken, in dem er einfach nur „I´m a little teapot“ singe. Die Darstellung des Horseman setzt sich fort in seinem wallenden schwarzen Umhang und seiner schwarzen, rüstungsähnlichen Kleidung bis hin zu seinen Sporen, die er am Stiefel trägt, denn selbst die wirken durch ihre scharfen Kanten höchst bedrohlich und verleihen seinen Schritten durch ihr Geräusch beim Auftreten eine starke Finalität. Mit seinen Waffen schlägt er fast schon ziellos auf seine Opfer ein und trennt ihnen die Köpfe ab, doch näher betrachtet gewinne ich eher den Eindruck, er schneidet tiefe Wunden in das Fleisch dieser als ganzheitlichen Körper inszenierten Armee. Fast unerreichbar für deren Soldaten reitet er auf seinem großen schwarzen Roß, das den Namen „Daredevil"“ (Teufelsmutiger) trägt, wobei diese Tötungsmaschine wüste Laute von sich gibt und somit bereits zu Lebzeiten den Eindruck vermittelt, nicht sprechen zu wollen, was einem Gegner, der ihm meist unterlegen ist, auch noch die letzte Möglichkeit nimmt, mit ihm etwas verbal regeln zu können, was ihn von seiner Tötungslust abbringen könnte. Vielmehr artikuliert sich in seinen Schlachtrufen seine Aggressivität, seine Tötungslust und auch der (erfolgreiche) Versuch, den Gegner noch nicht nur optisch, sondern somit auch akustisch einzuschüchtern. Als er von seinen Häschern bis in die verschneiten westlichen Wälder gejagt wird, scheint er beim Tod seines Pferdes zum ersten Mal ein kurzes Gefühl der Trauer zu zeigen, daß er aber einem Menschen offenbar nicht entgegenbringen kann oder will. Dies kann jedoch nur ein kurzer Moment des Innehaltens sein, denn schon nahen die Soldaten. Auf seiner Flucht begegnen ihm zwei kleine Mädchen, die, ganz in zartes Rosa gekleidet, zusammen mit dem weißen Schnee einen deutlichen Gegenpol zu dem schwarzen Reiter bilden, der allein schon durch seine Kleidung in der verschneiten Landschaft auffällt und nicht mehr als Teil des eher dunkel inszenierten Schlachtgetümmels gelten kann. Mit den beiden kleinen Mädchen, die vor ihm fast winzig wirken und Holz vom Boden aufklauben, scheint nun eine starke Polarisierung stattgefunden zu haben, stehen sie doch mit ihren eher festlichen und für den Zweck des Holzsammelns eigentlich gänzlich ungeeigneten Kleidern für kindliche Unschuld, während ihnen der ob dieses Anblickes leicht verwunderte schwarz gekleidete schuldbeladene Mörder gegenübersteht, der mit einer Geste die beiden auffordert, still zu sein, um ihn nicht zu verraten. Doch wie so oft bei Tim Burton ist der erste Eindruck ein trügerischer. War in „Edward Scissorhands“ das finstere Schloß Edwards und dessen schwarze Kleidung letztlich nur Rüstung und Schutz einer zerbrechlichen Seele, so steckt der Teufel hier in einem rosa Kleidchen, denn eines der Mädchen denkt gar nicht daran, dem Mörder Schutz zu gewähren und zerbricht, wortlos wie der Reiter selbst und ohne das Zeichen einer Gefühlsregung im Gesicht, einen morschen Ast, den es in den Händen hält und straft somit den Horseman ob seiner folgenschweren Fehleinschätzung ab. Während ihre Schwester das Heil in der Flucht sucht, bleibt die Verräterin bei einem Baum stehen und beobachtet emotionslos das weitere brutale Geschehen, das nur wenige Meter entfernt geschieht. Auffällig ist hierbei besonders, daß sie bereits einen Arm leicht angewinkelt vor dem Unterleib hält, was als eine typische Körperhaltung bei Frauen gerade in alten Horrorfilmen zu verstehen ist und womit Burton bereits hier einen Hinweis auf die Identität des Mädchens als spätere Lady Van Tassel und der Urheberin der Morde gibt. Gerade in diesem Zusammenhang drängt sich die Vermutung auf, daß das Kind bereits hier als bösartig einzuordnen ist, denn es legt den Grundstein für die späteren Morde nicht erst in vielen Jahren, sondern es hat den Anschein, daß das Mädchen bereits hier die Pläne für eine spätere Wiederkehr des Horseman schmiedet. Die Frage nach der Vorhersehbarkeit der Ereignisse läßt sich hierbei nur insofern beantworten, als daß Tim Burton desöfteren weniger Wert auf inhaltliche Zusammenhänge legt, sondern vielmehr auf Motive und Bilder, die er dem Zuschauer zeigen will. Und in diesem Fall ist das wahre Monster nun die später Lady Van Tassel, die den Horseman ab hier zum Opfer ihrer Machenschaften degradiert, denn herbeigeholt durch das Geräusch des Astes treffen nun auch dessen Häscher ein, denen es schließlich gelingt, den beidhändig kämpfenden und dadurch fast unerreichbaren Söldner zunächst zu verletzen und schließlich mit seiner eigenen Waffe zu enthaupten, womit ihn dasselbe Schicksal ereilt wie seine Opfer. Doch damit sei das Schicksal des Reiters noch lange nicht besiegelt, denn die „Saat des Bösen“ geht jetzt erst auf, so Baltus Van Tassel, denn nun komme er zurück, um Rache zu nehmen. Dies geschehe ziellos, wie Van Tassel Crane Glauben machen will: „He´s on the rampage, cutting off heads where he finds them.“ Und als wolle die Kamera diese Theorie bestätigen, zeigt sie den Hengst Daredevil, der wiehernd an dem Grab seines Herren mit den Hufen in der Erde scharrt. Und auf die Frage des wie Espenlaub zitternden Crane „Are you saying - Is that what you believe?“ kann ihm der, typisch für Burtons Humor, ausgerechnet auf dem rechten Auge blinde Notar Hardenbrook (Michael Gough) nur beschwörend antworten „Seeing is believing.“ Doch hier beschleichen Ichabod Crane erste Zweifel, denn hätten diese Männer den kopflosen Reiter wirklich selbst gesehen, sie wären wohl nicht mehr am Leben.