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4. Edward und die reine Liebe

Später wird er einen Engel erschaffen, doch wird er nicht mehr eine Hecke oder einen Strauch nutzen, sondern einen Eisblock bearbeiten. Dabei entsteht zum ersten Mal eine Art Schnee, in dem Kim wie ein kleines Mädchen umhertanzt und den Schnee auf der Haut spürt. Der Engel steht dabei nicht nur als klassisches Symbol für das bevorstehende Weihnachtsfest, sondern verkörpert auch das Idealbild, das er von Kim in sich trägt. Edward nutzt das Eis nicht nur, um besser Details darstellen zu können, sondern verdeutlicht auch die Eiseskälte, die er empfindet, weil Kim ihn immer wieder zurückweist. Dabei hat die Liebe, die Edward für Kim empfindet den Grad höchster Unschuld und nichts mit körperlichen Begehren zu tun. Diese Art der Liebe kennt und versteht Edward nicht. Dies zeigt sich am Beispiel der Verführungskünste von Joyce, die ihn unter einem Vorwand in das Hinterzimmer des geplanten Friseurgeschäftes lockt, um ihn mit Dessous und schnulziger Musik zu verführen. Er reagiert auf diesen Versuch völlig unbeholfen und ergreift die Flucht, als der Stuhl umstürzt. Nicht nur sein Körper paßt nicht in diese Welt, sondern auch seine geistigen Muster verstehen die entsprechenden Verhaltensmuster wie beispielsweise Verführung nicht. Und so erzählt er völlig unbedacht Pegs Familie, was Joyce gerade getan hat. Allen in der Familie ist klar, daß Joyce versucht hat, Edward zu verführen, weil entsprechende Schlüsselworte fielen als er sagt: „then she took me to the back room where she took all here clothes off“. Edward jedoch denkt sich überhaupt nichts dabei, zumal ihm auch niemand erklärt, was Joyce mit ihm vorhatte. Eine Übertragung des Verhaltensmuster „Verführung“ auf die angebetete Kim ist somit auch nicht möglich, was den Charakter seiner unschuldigen Liebe Kim gegenüber bewahrt. Zuletzt wird er jedoch erkennen müssen, daß er Kim nicht das bieten kann, was diese wünschen wird und aufgrund der mangelnden Kompatibilität seines Körpers auch nie in deren Welt passen wird. Und so wie er durch seine Arbeit an den Hecken schon sein Innenleben nach Außen getragen hat, geschieht es auch hier wieder. Mit den Scheren zerschneidet er die Kleidung. So als wolle er Ketten zerreißen, befreit er sich von der kleinstädtischen Kleidung. Als letzten Akt der Erkenntnis schneidet er einem Hund den Haarbüschel, der dessen Augen verdeckt, weg und bringt damit zum Ausdruck, daß auch Edward nun einsieht, daß er nicht hierher paßt. So bleibt ihm auch nichts anderes übrig, als die Liebe zu Kim im Zustand der Unschuld zu bewahren und Kim zu verlassen. „Hold me.“ Flüstert sie ihm zu. „I can´t.“ antwortet dieser, was die Situation in Anbetracht seiner Scherenhände grotesk und tragisch zugleich macht, bedeutet dies doch die Erkenntnis Edwards, daß er nie in diese Welt gepaßt hat und auch nie passen wird. So geschieht der erste und einzige Kuß zwischen den beiden erst, als Kims Ex-Freund Jim (Anthony Michael Hall) beim Kampf mit Edward durch diesen zu Tode kommt und Edward dadurch einen Teil seiner Unschuld verloren hat. In einer der letzten Einstellungen ist Edward zu sehen, wie er erneut Figuren aus dem Eis erschafft. Er wird hierbei die Familie nachbilden, die ihm versagt geblieben ist. Mit Kim als seiner Frau, mit zwei spielenden Kindern und einigen Vögeln an der Tränke. Dazwischen befindet er sich als Vater/Schöpfer dieser Welt. Das abgeschliffene Eis fliegt dabei aus dem Fenster und bedeckt die kleine Stadt zu Füßen des Schlosses. Daß es seit Edwards Auftauchen dort nun überhaupt schneit, darf als Edwards Geschenk und Erbe an die Bewohner gesehen werden, denen er nun ein wahres weißes Weihnachtsfest beschert. Das Ergebnis seiner Liebe zu Kim, die er im Eis nachbildet, bedeckt die Stadt wie ein Mantel. Mit dem Schnee (also quasi mit dem Ergebnis seiner unschuldigen Liebe) bedeckt er auch die für ihn fremde Welt und verwandelt sie in die Klischeewelt eines Weihnachstmärchen.