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III. Apocalypse Now USA 1977, Regie: Francis Ford Coppola

„This is the end, beautiful friend. My only friend, the end.“

1979 dreht Francis Ford Coppola den Film „Apocalypse Now“. Basierend auf Joseph Conrads Roman „Heart of darkness“ erzählt der die Geschichte von Captain Willard (Martin Sheen), dessen Mission es ist, den im Dschungel verschollenen Col. Kurtz (Marlon Brando) aufzuspüren und zu töten. Dieser hat sich von der Truppe abgesetzt und sich inmitten von Einheimischen ein eigenes Reich aufgebaut.
Bereits die ersten eindrucksvollen Minuten des Filmes machen deutlich, welche Bedeutung der Dschungel für Willard (Martin Sheen) hat. Der Urwald ist immer präsent und zwar so, als sei er schon immer da gewesen und als werde er immer da sein. Einem Standbild gleich zeigt ist der Wald zu sehen, der wie eine Mauer vor mir steht. Unverändert und unbeweglich blickt er mich an, gestattet aber keinen Blick in sein Inneres. Die Bäume, zumeist Palmen sind üppig grün, wirken jedoch mit ihren spitzen Blättern bedrohlich und aggressiv. Einige Hubschrauber schwirren herum. Der Klang der Rotorblätter schwirrt durch den Raum und umkreist den Zuschauer akustisch, so wie die Hubschrauber auch den Urwald umkreisen. Als die ersten Takte des Liedes „This is the end“ zu hören sind, explodieren Feuerbälle innerhalb der Palmen und vernichten alles, was eben noch den Eindruck erweckte, für alle Ewigkeit Bestand zu haben. Die Hubschrauber, deren aufgewirbelter Staub wie die Saat der Vernichtung wirkt, fliegen weiter umher und machen klar, daß die Bestie Mensch entfesselt wurde und hier nichts Bestand haben kann. Die Kamera bewegt sich nun und verdeutlicht damit, daß die Zeit der ewigen Ruhe vorbei sein wird.
Das Bild des scheinbar unveränderlichen Dschungels läßt sich auf die Person des Captain Willard übertragen. Äußerlich unverändert herrscht doch in seinem Kopf Chaos. Fast schon Standbildcharakter hat sein Abbild auf der Leinwand, wenn er, mit dem Kopf nach unten liegen, gezeigt wird und in dieser Darstellung an den gekreuzigten Petrus erinnert, der, um nicht wie Jesus sterben zu müssen, mit dem Kopf nach unten gekreuzigt wurde. Willards Hand liegt regungslos da, fast schon wie die Hand eines Toten und in der Tat scheint er dem Tode näher zu stehen als dem Leben, denn Willard sucht nach Betäubung und Abschottung von dem Leben um ihn herum und findet diese in Unmengen von Nikotin, Alkohol und Drogen.
Der Brutalität der Vernichtung der Urwaldes setzt Coppola ein anderes, ähnlich gewalttätiges Bild entgegen, wenn er den Deckenventilator, der den Rotorblättern gleichzusetzen ist, über Willards Gesicht blendet. Nicht nur der Urwald wird hier vernichtet, sondern auch der menschliche Geist, denn der Ventilator zerschneidet quasi das Gesicht Willards und dringt tief in sein Gesicht ein. Doch die Überblendung und das Gleichsetzen des Ventilators mit den Rotorblättern macht eben auch deutlich, daß der Urwald überall präsent ist und Willard diesen und die Dinge, die er dort erleben mußte, nicht mehr aus dem Kopf bekommen wird. Ähnlich wie der Dschungel durch die Napalmbomben von innen zerstört wird, so wurde auch dieser Mann, der äußerlich so ruhig und unversehrt wirkt, innerlich zerstört. Willard raucht eine Zigarette, während in den Bildern der Überblendung der Urwald weiter brennt. Willard saugt also quasi das Feuer, das im Urwald lodert, in sich hinein. Doch das Grauen ist noch nicht zu Ende, denn es wird erst beginnen, denn Willard öffnet seine schönen und doch leeren blauen Augen. Es ist der Beginn und doch bereits das Ende, wie der Text des Liedes deutlich macht. Willards Augen blicken umher und finden doch nichts. Das Gesicht der nun eingeblendeten Götzenstatue nimmt vorweg, was ihn erwarten wird: Der bevorstehende Königsmord, der den Jünger, der auf Kurtz´ Spuren wandelte, zum neuen Messias machen wird.
Die Kamera dreht langsam seinen Kopf, während die Bilder des zerstörten Dschungels denen weichen, welche die Vegetation wieder in intaktem Zustand zeigen. Der Dschungel scheint sich nach Außen hin selbst geheilt zu haben, doch in seinem Inneren züngeln weiter die Flammen und diese lodern nun in Willards Kopf. Dieses Feuer läuft nun langsam durch das gesamte Bild. Die nächste Einstellung zeigt Willards persönliche Habe: Seine sogenannte „Hundemarke“ mit Namen und Personalnummer, seinen Ausweis, einige wenige Briefe und das Bild seiner Frau. Durch all diese Gegenstände wandert nun die Flamme hindurch, sie vernichtet somit quasi Willards Identität, indem sie gleichsam seine Vergangenheit verbrennt, bis sie schließlich seine Hand erreicht, die unbeweglich da liegt. Als sie diese schon fast durchwandert hat, bewegt sich der Daumen, als fühle die Hand die sengende Hitze der Flamme und wolle zurückzucken, doch die Flamme bahnt sich weiter ihren Weg über Willards Gesicht, bis sie seinen Mund erreicht hat. Auch dieser zuckt kurz, als wolle er sich dagegen wehren, indem er etwas sagen wolle, doch gibt es schon lange keine Worte mehr dafür, was in seinem Kopf vor sich geht. Nur eines ist hier immer dominant: Der Dschungel.
Überhaupt will ich hier anmerken, daß das Timing dieser Sequenz exzellent ist, denn nicht nur das Feuer korrespondiert mit Sheens Bewegungen, sondern auch die Musik macht deutlich, mit welcher unglaublichen Exaktheit hier gearbeitet wird. So sind Martin Sheens Augen just in dem Moment geschlossen, in dem der Text des Stückes besagt „I never looked into your eyes.“
Die folgende Einstellung zeigt ohne Überblendung eines zweiten Motivs eine Schachtel Zigaretten der Marke „Marlboro“, auf der ein Feuerzeug der Marke „Zippo“ liegt. Beides sind uramerikanische Utensilien, die das Heldenklischee des einsamen Cowboys widerspiegeln und durch ihre Anordnung lassen sie einen letzten winzigen Rest von Ordnung erahnen, wo eigentlich keinerlei Ordnung mehr vorhanden ist, denn direkt nebenan steht ein Glas mit Whiskey und eine angebrochene Flasche, die den Alkoholkonsum erahnen läßt. Der Löffel, der dazwischen liegt, mag vielleicht auf die kargen Malzeiten hindeuten, aber vielmehr ist er als ein Indiz für möglichen Drogenkonsum zu verstehen. Hinter den Zigaretten ist ein Telefon zu erkennen, das längst zu einer Requisite degradiert ist, denn ein Anruf aus der Heimat ist schon lange nicht mehr zu erwarten und ein eigener Anruf wäre nutzlos. So kann es lediglich dazu dienen, ihm einen neuen Einsatz  mitzuteilen, doch auch dieser läßt lange auf sich warten, was auch seine Waffe nutzlos erscheinen läßt, die griffbereit im Bett liegt und eher den Gedanken nahelegt, daß Willard diese dorthin legte, weil er mit dem Gedanken spielte, sich selbst zu töten.
Durch die langsam leiser werdende Musik wird das Geräusch des Ventilators immer dominanter. Willard ist wieder mit dem Kopf nach unten zu sehen. Seine Augen öffnen sich und blicken mich an, als wolle er mich nach Antorten fragen, wohl wissend, daß ihm niemand diese Antworten geben kann. Der Gegenschuß macht klar, daß er zur Decke blickt und den Ventilator anschaut, dessen Geräusche nach wie vor an den Klang von Helikoptern erinnern. Die Kamera führt den Blick nach draußen auf die Straße und auf der Tonebene wird deutlich, daß draußen gerade ein Hubschrauber davonfliegt. Seine Stimme, die als Voice Over zu hören ist, klingt erschöpft und müde und dennoch erklärt sie mit dem Wort „Saigon“ seinen Aufenthaltsort. Er ist alles andere als begeistert darüber und so wirken die Lamellen der Jalousie mehr wie die Gitterstäbe eines Gefängnisses, die nur den Blick auf ein eingeschränktes Feld zulassen. Schnell wird anhand seines Wunsches, wieder in den Dschungel zurückkehren zu dürfen, deutlich, daß Willard nach seiner Rückkehr von dort nicht mehr in der Lage ist, das Leben in der Zivilisation zu meistern, wenn er sagt „All I could think of was getting back into the jungle.“ Daß er sich in „seinen eigenen vier Wänden“ wie in einem Raubtierkäfig fühlt, wird spätestens dann klar, als er sagt: „Each time I looked around, the walls moved in a little tighter.“ Und so wirkt sein anschließendes Schattenboxen wie ein letztes Erwehren gegen diese Wände, die zur Zeit sein einziger Feind zu sein scheinen. Und in der Tat ist da wirklich nur noch der Schatten eines Mannes, der da gegen sein Schicksal ankämpft. Nur dessen äußere Hülle ist noch intakt und die ekstatischen Bewegungen, die im Zerschlagen des eigenen Spiegelbildes enden, zeigen, daß der größte Feind dieses Menschen er selbst geworden ist.