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II.1. Der Müll, die Stadt und der Sprengstoff

„Nun können Sie das Problem selbst sehen.“


Was der Beauftragte der Ölgesellschaft meint, wird mit einem Blick deutlich. Das Ölfeld, daß der Hubschrauber überfliegt, ist umgeben vom Urwald. Die Ortschaft liegt kilometerweit entfernt und dazwischen gibt es nur den undurchdringlichen Dschungel, der auch das Ölfeld umschließt. Einzige Verbindung ist ein Weg, der in äußerst schlechtem Zustand ist und der die Pipeline begleitet. Dort, wo diese durch den Urwald führt, wirkt die Vegetation wie weggeschnitten. Es gibt keinen allmählichen Übergang zwischen der unberührten Natur und der vom Menschen genutzten Fläche, sondern einen scharfen Schnitt in das Grün der Pflanzen. Doch da auch dieser Weg den Widrigkeiten kaum standzuhalten vermag, ist der Hubschrauber das geeignetste Transportmittel.
„Atemlos vor Angst“, Regie William Friedkin, basiert auf dem Roman „Lohn der Angst“ des Autors Georges Arnand und darf als das Remake des Filmes „The Wages of fear“ („Lohn der Angst“; Italien/Frankreich 1952, Regie Henri-Georges Clouzot) gelten. Der Film erzählt die Geschichte von vier Männern, die sich mit Lastkraftwagen den Weg durch den Urwald bahnen, um nach einem terroristischen Anschlag auf die Ölfelder Nitroglyzerin zu liefern, mit dem das Feuer bekämpft werden soll. Die Hauptcharaktere sind Juan Dominguez, dargestellt von Roy Scheider, sowie der Franzose Serrano (Bruno Cremer), die beide in jeweils einem der Wagen sitzen, die sich Meter für Meter durch den Urwald kämpfen, um das Ölfeld zu erreichen. Dieses wirkt wie in den Urwald geschnitten und der auf mich brutal wirkende Kontrast zwischen dem schmutzigen Braun des Ölfeldes und dem satten undurchdringlichen Grün der Bäume zeigt, daß es ein Miteinander von Mensch und Natur hier nicht geben kann. Der Mensch erscheint im Dschungel, um dieses Stück Land auszubeuten. Dabei wirkt es so, als wolle sich die Natur gegen diese Eindringlinge zur Wehr setzen. So gestaltet sich das Verlegen von Röhren als außerordentlich schwierig, denn Dickicht, Schlamm und Wasser erschweren die Arbeiten in ganz außerordentlichem Maße. Auch die Musik von „Tangerine Dream“ verdeutlicht dies, denn die sterilen sphärischen Töne aus dem Synthesizer wirken kalt und abweisend. Der dicht bewaldete Urwald steht in direktem Kontrast zu den von den Menschen genutzten Flächen, die alles andere als zivilisiert wirken. Schnell wird deutlich, daß die Natur an diesen Stellen einfach nur plattgemacht wurde und an diesen Stellen schmutziges Grau das satte Grün ersetzt hat. Von einer funktionierenden Kultur oder Zivilisation kann in der Ortschaft nicht die Rede sein und so ist der Regierungsadler, der auf Plakaten oder Wänden prangt nur ein nutzloses Symbol, daß noch nicht einmal mehr zur Zierde taugt. So wird beim Betrachten der Stadt der Adler vielmehr zum Geier, denn die Stadt erfüllt zusehends das gängige Motiv einer Geisterstadt, wie man sie aus dem Western kennt. Die einzige Lebewesen, die der Film dieser Stadt zuzugestehen scheint, sind die Tiere, die sich vom Müll der Menschen ernähren, doch die ganze Stadt scheint eine einzige Müllhalde zu sein. So wirken dann auch die Krabben, die sich auf einem Abfallhaufen bewegen so, als sei der Müll lebendig geworden. Die Schönheit der Natur bleibt indessen außen vor, so wie es der farbenprächtige Falter verdeutlicht, der sich vergeblich bemüht, das Gitter des Zauns durchdringen zu können. Doch letztlich setzt der Müll auf den Straßen nur das Elend fort, daß in den ärmlichen Hütten schon lange vorherrscht und wo es letztlich egal zu sein scheint, ob der Kadaver eines Tieres oder eines Menschen in der Gosse liegt, spiegelt das nackte Kind, das zwischen all dem Abfall herumläuft, doch letztlich nur die Nacktheit des Menschen gegen die herrschenden äußeren Einflüsse wieder, so daß es nicht verwundert, daß die Menschen in Lethargie verharrend ihr elendes Leben erdulden müssen und immerzu nur von der Hoffnung, diesen Ort irgendwann einmal verlassen zu können, am (Über-) Leben gehalten werden.