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I.3. Der Land Rover Freelander

Die Marke Land Rover ist bis dato als ein Hersteller erstklassiger Geländewagen im Hochpreissegment bekannt, als sie 1998 die Modellreihe „Freelander“ auf dem Markt bringt. Dieser soll nach der bereits erwähnten Vier-Markenstrategie die Werte Freiheit, Glaubwürdigkeit, Abenteuer, Mut und Überlegenheit repräsentieren und mit seinem sportlichen kompakten Äußeren und einem attraktiven Preis jene Käuferschichten ansprechen, denen ein echter Land Rover bisher zu teuer war. Es zeigt sich, daß Rover hier bewußt nicht auf die im Rover 200 verwendeten Images des „Britishness“ setzte, sondern den Aspekt den „country of origin“-Effekt völlig unbeachtet läßt. Zur Markteinführung werden zwei 15 Sekunden lange Spots geschaltet, die ebenfalls von der Düsseldorfer Werbeagentur Gramm entworfen werden. Der erste Spot zeigt einen schwarzen Land Rover Freelander, der eine breite Autobahn befährt. Der Geländewagen ist schwarz lackiert und auf Hochglanz poliert. Hinter der Frontscheibe ist der Fahrer zu erahnen. Die Kamera befindet sich vor dem Wagen etwa auf Höhe der Stoßstange und blickt quasi zu dem Freelander auf, der dadurch überlegen, sicher und dominant wirkt. Der Kühler ist deutlich im Vordergrund und auf ihm ist deutlich der Schriftzug „Land Rover“ zu erkennen. Hier wird sofort deutlich gemacht, daß es sich bei dem Geländewagen nicht um den eines x-beliebigen Herstellers handelt, sondern um DEN Geländewagenhersteller schlechthin. Somit entfällt der Verweis auf „Britishness“, die mit dem Herkunftsland assoziiert wird. Statt dessen erfolgt der deutliche Verweis auf den Hersteller. Interessant erscheint dies aus zwei Gründen: Zum einen erscheint es für einen Geländewagen wenig vorteilhaft, diesen mit Images zu belegen, die an die gemütliche, jedoch wenig sportliche Atmosphäre eines britischen Clubs erinnern. Zum anderen besitzt die Marke Land Rover bereits ein ausgezeichnetes Image, auf das der Hersteller lediglich verweisen braucht. Im Falle der Pkw-Sparte der Marke Rover muß zuerst ein neues Image das alte, wenig vorteilhafte Spott-Image des „Britisch Elend“ ablösen und dies geschieht mittels eines Image-Transfers. Der Kunde soll mit dem Namen Rover nicht mehr die bislang bekannten negativen Werte assoziieren, sondern das, was er mit England verbindet. Beim Land Rover Freelander soll er dagegen den preiswerten Freelander sofort mit den luxuriöseren und erheblich teureren Modellen „Range Rover“ oder „Defender“ verbinden. So ist es also kein Wunder, daß der im Werbespot gezeigte Freelander stolz seinen Hersteller auf dem Kühler in die Kamera zeigen darf. Die extreme Weitwinkeleinstellung verdeutlicht aber auch die bullige Bauweise eines Geländewagens, die dem Fahrer den Vorteil verschafft, deutlich höher als andere Verkehrsteilnehmer zu sitzen. Dadurch erhält der Fahrer eine bessere Rundumsicht und zum anderen schafft es Abstand zu dem Geschehen , daß sich schon wenige Zentimeter um ihn herum abspielt. Wuchtig wie der Bug eines Schiffes zerteilt er das Bild und läßt auf der rechten Seite noch die Straße erahnen, während auf der linken Seite eine Anhöhe zu erkennen ist, an der der Freelander vorbeifährt. Das Gras, das dort wächst, ist jedoch nicht das, was man im Allgemeinen von saftigen grünen Hügeln erwartet. Es ist braun-grau und wirkt genauso leblos wie der Beton der Straße. Ein einsames Haus huscht im Hintergrund vorbei, bevor der Landrover in einen Tunnel, dessen Wände sich am linken Bildrand gerade noch erkennen lassen, fährt und die Dunkelheit den Wagen verschluckt. Die Musik, die auf einer E-Gitarre gespielt wird, ist leise, einschläfernd und ohne erkennbare Melodie. Die Stimme aus dem Off erklärt wenig emotional „Montag“. Diese Einstellung wird nun noch weitere dreimal gezeigt, wobei die Fahrt in den Tunnel ersetzt wird durch eine Schwarzblende, welche die Einstellungen jeweils aneinanderreiht. Die männliche Stimme aus dem Off erklärt „Dienstag, Mittwoch“, „Donnerstag“. Es wird schnell klar: Hier ist eine typische Fahrt zur Arbeit zu sehen. Tag für Tag begegnen dem Fahrer dieselbe Landschaft, dieselben Häuser und dieselben Autos. Der Tunnel wirkt wie ein Strudel, der den Fahrer verschlingt, ihn für den Rest der Woche nicht mehr losläßt und ihn zwingt, die gleichen Dinge immer und immer wieder sehen zu müssen, ohne daß er die Chance haben könnte, aus diesem Kreislauf ausbrechen zu können. Erst bei „Donnerstag“ ist auch die Wand des Tunnels, in den der Wagen fährt, wieder zu erkennen. Es wird klar: Viele Dinge, die sich auf oder an Strecken befinden, nimmt man vielleicht am Anfang der Woche noch wahr, doch wenn man diese Strecke jeden Tag befährt, nimmt man sie nicht mehr bewußt wahr. Die Information „An dieser Stelle wird es dunkel, weil ich in einen Tunnel fahre“ reduziert sich bald auf ein schlichtes „Hier wird es dunkel“. Erst gegen Ende der Woche, an dem der kurzzeitige Ausbruch aus dieser Routine bevorsteht, weil ich am Wochenende nicht zur Arbeit fahren, nehme ich wieder mehrere Eindrücke wahr. Der einzige Kontrast zu dieser grauen Welt bildet die kräftige schwarze Lackierung des Freelanders. Die Farbe macht es bereits deutlich, daß dieser Wagen etwas Besonderes im Straßenbild darstellen soll, denn für die tägliche Fahrt zur Arbeit, die immer wieder über die gleiche gut ausgebaute Straße führt, ist ein Geländewagen eigentlich völlig überflüssig. Doch der Land Rover soll hier den Kontrast im Straßenbild darstellen zu den immer ähnlicher werdenden Autos, die lediglich aus vernünftigen Aspekten heraus gekauft werden. Den Land Rover kauft man immer auch aus emotionalen Gründen, lautet hier die Botschaft, und mit ihm kann man auch anders als nur von A nach B zu fahren. Doch der Fahrer des Freelanders fährt nicht etwa hektisch und aggressiv zu seinem Arbeitsplatz, sondern ruhig und besonnen. Die Kameraeinstellung, die den Wagen samt Fahrer zeigt, verdeutlicht, daß dieser sich im Freelander geborgen und sicher fühlen kann, denn der Freelander bewegt sich wie ein mächtiges Schiff über die Straße. Durch das verwendete extreme Weitwinkel-Einstellung entsteht der Eindruck, daß der Freelander viel Abstand zwischen sich und der Straße mit dem Hügel schafft und dadurch eine gelassene Stimmung beim Fahrer ermöglicht. Nun kündigt der Sprecher „Freitag“ an. Zwar ist die Kamera immer noch vor dem Freelander positioniert und zeigt ihn in der gleichen Einstellung, doch hat der Hintergrund gewechselt. Nun sind nicht eins, sondern mehrere Häuser zu sehen. Auch einzelne Bäume zeugen von dem gleich beginnenden kleinen Abenteuer des Freelanders, dessen Fahrer nun von der Straße herunterfährt. Kaum ist er von der Straße gefahren, wechselt die Schnittgeschwindigkeit. In kurzen aufeinanderfolgenden Einstellungen erscheint der Freelander bei der Fahrt durch Schnee und Eis oder beim Durchfahren von Wüstensand. Auch werden die Bilder Kamera jetzt auch abwechselnd horizontal oder vertikal gespiegelt gezeigt, so daß der Wagen von links nach rechts oder von rechts nach links fahrend gezeigt wird bzw. an der Decke hängt. Auch werden einzelne Einstellungen invertiert, also im Negativ gezeigt. Der Sprecher verkündet laut und mit der Intensität eines mittelalterlichen Marktschreiers „Samstag, Sonntag, Samstag, Sonntag, Samstag!“. Am Wochenende also taucht der Freelander in eine Gegenwelt ein, die geprägt sein kann von allen Extremen: Große Hitze oder klirrende Kälte machen ihm dabei ebensowenig aus wie die Fahrt weit abseits befestigter Straßen. Auch die ruhige und besonnene Fahrweise, die der Fahrer unter der Woche zu bevorzugen scheint, weicht nun einem wilderen Fahrstil, der Matsch oder Wasser spritzen läßt und den Freelander von den Spuren des Abenteuers zeichnet. Die Heavy-Metal-ähnliche Musik, die die E-Gitarre nun anstimmt, untermalt dies. Der Ausbruch aus den Regeln und der Eintönigkeit des Alltags wirkt nun wie ein buntes Kaleidoskop, in dessen Mittelpunkt aber immer der Freelander steht. Bei der letzten Ankündigung „Samstag“ erscheint der Freelander umgeben von den Bürsten einer Autowaschanlage, die ihn vom Schmutz des Wochenendes befreien. Die Tatsache, daß der Freelander am Samstag gewaschen wird, mag viele verschiedene Gründe haben: Der Spot ist an den deutschen Konsumenten gerichtet. In Deutschland ist es ein gewohntes Bild, daß der Autofahrer am Samstag den Wagen wäscht. Außerdem sind am Sonntag die Waschstraßen geschlossen. Der Spot läßt aber auch die Assoziation zu, daß sich der Fahrer des Geländewagens am Samstag vergnügt und am Sonntag, vielleicht mit der Familie, denn eben gutsituierte junge Familien sollen als eine der Zielgruppen gelten, einen Ausflug unternimmt, bei der die Sicherheitsaspekte des Freelander wieder im Vordergrund stehen. Auf jeden Fall aber wird der Freelander in der Waschstraße wieder fit gemacht für den tristen Alltag, in dem man es Fahrer und Wagen nicht ansieht, was am Wochenende geschehen ist und sie somit wieder in die Monotonie des täglichen Straßenverkehrs entlassen werden, die alle (fast) gleich macht.