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I.2. Rover 200: Spot zur Markteinführung 1995

1995 bringt Rover die neue 200er-Serie auf den Markt, die im Bereich der verkaufsträchtigen Kompaktwagen angesiedelt ist. Im gleichen Jahr kommt ein 30 Sekunden dauernder Spot ins deutsche Fernsehen, der bereits deutlich macht, daß Rover in der deutschen Kampagne zukünftig vor allem auf die Schlagworte „Tradition“, „Britishness“ und „Gelassenheit“ setzt. Musikalisch wird der Spot durch den Song „Englishman in New York“ von Sting, der als Thema für die Kampagne dient. Zu sehen ist in der ersten Einstellung eine typische New Yorker Ladenzeile mit Geschäften, deren marktschreierischen Schilder zumeist in Gelb gehalten sind. Neben Gelb dominiert zusätzlich noch das Grau der Wände, des Bürgersteiges und eines geschlossenen Rolltores. Die Kamera ist leicht schräg gehalten und vermittelt somit einen ersten Eindruck von dem hektischen Treiben auf den Straßen der Metropole. Das Gelb und die Schilder selbst wirken überladen und auf den ersten Blick für den Betrachter kaum erfaßbar. Der Betrachter müßte sich viel Zeit nehmen, um die Botschaften der einzelnen Schilder erfassen zu können, doch keiner der Passanten will sich diese Zeit nehmen, sei es, daß er die Schilder zu kennen glaubt, da er an ihnen schon unzählige Male vorbeigelaufen ist oder weil es ihn ohnehin nicht interessiert. Ohnehin wirken die Geschäfte mit ihren dunklen Eingängen nicht sonderlich einladend und das verschlossene Rolltor wirkt zudem so, als sei hier ein Außenstehender ohnehin nicht erwünscht. Dieses geschlossenen Rolltor steht somit in direktem Kontrast zu dem von Rover genutzten Slogan „You´re wellcome!“. In der zweiten Einstellung, in die harmonisch überblendet wird, fährt von links der neue Rover 200 ins Bild. Der dreitürige Kompaktwagen mit Schrägheck ist in Blaumetallic lackiert, dem sogenannten Tahiti-Blue. Obwohl viele Verbraucher mit einem britischen Wagen eher die traditionsreiche Farbe „British Racing Green“ erwarten dürften, wurde hier wohl deshalb darauf verzichtet, weil sich dieses recht dunkle Grün nicht ausreichend von dem die Stadt dominierenden Grau abgesetzt hätte. Das statt dessen eingesetzte Blau repräsentiert zum eine aktuell bei Autos sehr beliebte Farbe und weckt zum anderen die Assoziation zu „blauem Blut“ und somit zur englischen Monarchie. Bei dem verwendeten Rover 200 handelt es sich um einen Wagen mit britischen Kennzeichen und Rechtssteuerung, um weitere Indizien auf sein Ursprungsland zu geben. Die Rechtslenkung erreicht aber auch, daß sich das Fahrzeug bewußt von der Masse der linksgesteuerten Autos abgeben kann. Überhaupt fällt der kompakte Rover auf, denn er ist der einzige Wagen, der von der Seite zu sehen ist, während alle anderen Fahrzeuge nur von hinten stehend mit roten Bremslichtern zu sehen sind. Zudem wirken all die anderen, meist grauen Fahrzeuge älteren Baujahres im Vergleich zum Rover zu groß, veraltet und durch das massenhafte Auftreten völlig uniform, während der Rover allein durch Fahrtrichtung und Farbe auffällt, was ihn flinker und moderner erscheinen läßt. Die dritte Einstellung gewährt erstmals einen Blick auf den Fahrer. Es handelt sich um einen Mann Anfang 30 mit grauem Twed-Anzug, Hemd und Krawatte. Sein sympathisches Äußeres weckt die Assoziation zu Hugh Grant, der wohl einer der bekanntesten Briten sein dürfte und sich allein schon wegen seines Berufes oft in New York aufhalten könnte. Gelassen blickt er zur Seite über die Schulter, um sich besonnen gegen den Verkehr abzusichern. Sein Blick erfaßt eine verstopfte Straße der Stadt, in deren Gewühl unzählige Autos mit rot leuchtenden Bremslichtern an einer roten Ampel stehen und den Stillstand der Verkehrsideologie zeigen, die mit immer größer und stärker werdenden Autos auf immer mehr Straßen letztlich doch nur dem Stillstand entgegensteuert. Durch diese Blechlawine bahnen sich Fußgänger ihren Weg, die fast schon wie Fremdkörper wirken und doch besser vorankommen als die für die Kamera unsichtbaren Menschen, die in den stehenden Wagen sitzen. Einen dieser Passanten, der wie ein Fisch gegen den blechernen Verkehrsstrom schwimmt greift die Kamera auf und überblendet nun in seine Silhouette wieder den Fahrer des Rover. Hier deutet sich an, daß der Rover 200 besonders attraktiv für Personen sein soll, die sich bewußt gegen das Treiben der Masse entscheiden, Wert auf einen eigenen Stil legen, intelligentere Wege nutzen möchten und verantwortungsbewußt handeln. Kaum ist der Fahrer wieder deutlich im Bild, trifft ihn wie eine Faust ein nasser Schwamm, der auf die Windschutzscheibe geknallt wird und die Sicht nach Innen kurz verwehrt. Die Kamera wechselt nun die Perspektive und zeigt aus dem Wagen heraus, wie die Scheibe von Fensterputzern gereinigt wird, die man in großen Städten antrifft und die meist unaufgefordert gegen Entgelt die Scheiben stehender Fahrzeuge reinigen. Daß es sich hierbei auch nicht um eine gutgemeinte Geste handelt, weil etwa der Fensterwäscher die Vorzüge oder das Design des Rover schätzt, wird schnell klar, als die Schaumschicht entfernt ist und den Blick auf die beiden Männer freigibt, die die Scheibe reinigen. Ihre Gesichter sind dunkel und bedrohlich und ihr Lächeln wirkt verschlagen, gierig und vielleicht ein wenig bemitleidend auf den völlig aus der Reihe fallenden Wagen samt Fahrer, der dieser Form der Wegelagerei sicher hilflos gegenüberstehen wird und sich seine Ruhe mit einem saftigen Trinkgeld erkaufen wird. Doch der Fahrer fährt einfach davon und läßt die beiden in dunkle Parkas gekleidete Gestalten einfach stehen, worauf einer der beiden wütend und aggressiv seinen Schwamm auf die Straße klatscht. Der Fahrer reagiert darauf weiterhin entspannt, wenn auch leicht verwundert über die üblen Sitten der Welt außerhalb seines Rovers, steht jedoch über den Dingen und zieht leicht amüsiert eine Augenbraue nach oben. Bereist hier wird deutlich, daß es bei diesem Spot um eine Schaffung von zwei Welten geht. Die eine Welt ist die außerhalb des Rovers, wobei New York hier symbolisch für die Hektik, den Stillstand und den Ärger im Verkehr steht. Nur wenige, auch nicht der exzentrischste Engländer, würde auf die Idee kommen, seinen Rover mit nach New York zu nehmen, aber das Setting, dessen Namen der Zuschauer lediglich durch Stings Song „Englishman in New York“ erfährt, steht für alle hektischen Städte, in denen diese Zustände vorzufinden sind. Somit ist New York überall. Die andere Welt ist die kleine individuelle Welt im Rover, die es dem Fahrer oder der Fahrerin erlaubt, ein Gesicht zu haben (im Gegensatz zu den unsichtbaren Menschen in der Blechlawine) und es zu wahren, denn durch die Ruhe, die der Rover 200 ausstrahlt, wird der Fahrer nie aggressiv oder laut. Zwischen diesen Welten wird optisch eine Distanz von Innen nach Außen geschaffen, so daß sich diese beiden Welten nicht zu berühren scheinen. Wieder von Außen ist der Rover in der nächsten Einstellung zu sehen, als er vor einer für New York typischen aus dem Kanaldeckel kommenden Rauchschwade zwischen einer Gruppe von Inline-Skatern und vor einem großem LKW fährt. Die Skater scheinen ihn gewissermaßen zu eskortieren, wogegen sich der Fahrer des Rover nicht wehrt, in dem er etwa auszubrechen oder zu überholen versucht. Die Inline-Skater stehen hierfür als Symbol für den Rover, denn mit Inlinern kommt man ebenso zügig voran, ist mit den Protektoren und dem Helm ausreichend gegen Unfälle geschützt und verbraucht nicht übermäßig viel Platz. Zudem handelt es sich bei Inline-Skates um eine moderne Art der Fortbewegung, was somit wieder die Brücke schlägt zwischen Tradition, repräsentiert durch das Auto als solches, und der Moderne. Zudem wird hier die Ansicht vertreten, daß Verkehr quasi ein in sich homogenes System sein kann, wenn man mehr auf ein Miteinander statt auf ein Gegeneinander setzt. Der Fahrer des Rover arrangiert sich mit den Skatern, die von manchen Autofahrer lediglich als Behinderung des eigenen schnelleren Vorankommen gesehen werden. Er überholt sie nicht und gefährdet somit sich und andere erst gar nicht, sondern setzt seine Fahrt zusammen und inmitten der Skater fort. Später gelangt er an eine Kreuzung, an deren Straßenrand zwei Fahrzeuge stehen, die zusammengestoßen sind. Die beiden Fahrer diskutieren wild miteinander. Hier handelt es sich das erste Mal, daß ein anderer Mensch außer dem Fahrer des Rover in Zusammenhang mit seinem Fahrzeug gezeigt wird. Doch es wird schnell deutlich, daß der Grund, aus der gesichtslosen Uniformität auszubrechen, die Beschädigung des Grundes dieser Individualitätslosigkeit ist. Der Verlust dieser gewohnten Gleichförmigkeit zwingt die Fahrer zum Aussteigen und zum Ausleben heftiger Emotionen, die vorher vielleicht lediglich in der Masse untergegangen waren und jetzt sichtbar werden, wo doch das Auto als Trutzburg, in der sich der Mensch gegenüber den anderen Verkehrsteilnehmer verschanzt und die den anderen Verkehrsteilnehmer vom Individuum zum Fahrer einer bestimmten Automarke reduziert, nicht mehr zur Verfügung steht. Bei der Darstellung der Stadt New York fällt auf, daß diese vor allem häßlich, trist und grau dargestellt wird. Die Gebäude sind alt und schäbig und stehen erneut im Gegensatz zu dem Klischee, das ich als Betrachter von England habe, wo ich zwar auch alte Häuser erwarte, die aber gepflegt sind, vielleicht einen großen grünen Garten um sich herum haben und in denen es in allen Ecken nach Geschichte und Tradition riecht. In eine solche Welt scheint der Rover 200 einzutauchen, als er das Ziel seiner Fahrt erreicht und in eine Einfahrt einbiegt. Die Straße ist sauber und aus Kopfsteinpflaster gebaut. Am Bürgersteig steht ein schwarzer Hydrant und die Fassade des Hauses ist von Säulen eingefaßt. Obwohl es sich um eine Straße in New York handelt, habe ich das Gefühl, der Rover kehrt heim nach „Old England“. Ein Lastenaufzug bringt den Rover nach oben und dort angekommen, öffnet sich das Gitter des Aufzuges. Die Kamera zeigt hier in Großaufnahme den verchromten Kühlergrill mit dem Wikingerschiff als Firmenlogo, das den Wagen für den interessierten Autofahrer zweifelsfrei (und hier erstmals in diesem Spot) als Rover erkennbar macht. Das Öffnen des Gitters steht gleichsam für den Ausbruch aus einem Gefängnis der Hektik durch den Rover und präsentiert diesen wie einen Theaterschauspieler, vor dem sich der Vorhang öffnet so daß er sich dem Publikum zeigen kann. Der Song ist dabei an der Stelle angekommen, an der Sting singt „I´m an Englishman in New York“ und somit auch musikalisch die Herkunft des Wagens und der Aufenthaltsort etabliert werden. Der Fahrer verläßt im Rover den Lift und fährt in seine Wohnung, wo ihn eine Frau, von der es nicht geklärt ist, ob es seine Frau, eine Frau, seine Freundin oder eine Freundin ist. Sie sitzt an einem Notebook in einer edel und schlicht eingerichteten Wohnung und baut somit erneut eine Brücke zwischen der Moderne und der Tradition. Leichtfüßig fährt der Rover an einem Flügel vorbei, so daß der Fahrer noch im Vorbeifahren eine für uns unhörbare kurze Phrase spielen kann, wobei er sympathisch lächelt. Die Frau wendet sich nun dem Fahrer zu und reicht ihm durchs geöffnete Fenster eine Tasse. Für mich ist es aufgrund der Betonung typisch britischer Traditionen bereist klar, daß es sich hier um Tee handeln muß, zumal der Song von Sting zu Beginn des Spots an der Stelle einsetzt, an der Sting singt „I don´t drink coffee, I drink tea my dear.“ Jetzt beginnt die Voice-Over mit dem Satz: „Was auch immer Sie erwartet: Zeigen Sie Gelassenheit. Der neue Rover 200.“ Interessant erscheint mir hierbei, daß es nicht heißt „Bleiben Sie gelassen.“, sondern „Zeigen Sie Gelassenheit“. Somit werden zwar auch negative Emotionen wie Frust und Ärger zugesprochen, aber es gilt, wenigstens nach Außen die Fassade zu wahren. Somit wird eine weitere Eigenschaft angesprochen, die typisch britisch zu sein scheint: Das Nichtzeigen von Gefühlen. Man hat sie, aber man zeigt sie nicht. Dies entspricht der englischen Mentalität, wie ich von einem Freund aus England weiß. Was in einem Menschen vorgeht, ist privat und gehört nicht an die Öffentlichkeit. In einer Nahaufnahme wird dann auch bestätigt, daß die Frau dem Fahrer tatsächlich eine Tasse Tee zusammen mit einem Keks gereicht hat. Sie greift jetzt nach der Fernbedienung und schaltet damit den Fernseher ein, aus dem die Geräusche einer Sportübertragung tönen. Zwar bleibt es offen, um welchen Sport es sich handelt, doch scheint es hier klar zu sein, daß sich das Paar wohl eine Sportart ansehen wird, die typisch britisch sein wird, etwa Fußball oder Kricket und weniger Basketball. Die Frau steigt zu dem Mann ins Fahrzeug. Da es sich um einen Rechtslenker handelt, steigt die Frau dabei zwangsläufig auf der linken Seite ein, an der sich in Deutschland ja das Steuer befindet. Zwar ist es klar, daß es aufgrund der vorher etablierten Position des Steuers nur die Beifahrerseite sein kann, doch aufgrund unserer Gewohnheiten macht es denn Eindruck, als ob sich die Frau jetzt ans Steuer setzt. Überhaupt spielt auch die Fahrt des Rovers in die Wohnung mit der von Autotestern häufig gemachten Aussage, ein Rover sei generell ein Fahrzeug für Menschen, die ihr Wohnzimmer gerne mit auf die Straße nehmen würden. Der Spot dreht die Aussage hier um, indem das Wohnzimmer quasi zurück ins Haus kommt und der schönste und gemütlichste Ort im ganzen Haus, um sich eine Sportübertragung anzusehen, nur der Rover sein kann. So ist es nur konsequent zu sagen, daß man kein eigentliches Wohnzimmer braucht, wenn man doch einen Rover hat, der mit seinem serienmäßigen Holzdekor oder der Lederausstattung die Attribute eines gemütlichen Wohnzimmers bereits erfüllt und somit eine Klasse für sich (Original: "Rover: A class of it´s own“) darstellt.