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2. Louis Cyphre Das Treffen - Der Auftrag

„The Prince of Darkness is a gentleman“

King Lear , von William Shakespeare Harry Angel läuft gerade in der Straße, in der er sein Büro besitzt, entlang, als er das Klingeln seines Telefons hört. Der Anruf ist offenkundig sehr geduldig, denn als Angel endlich sein Büro erreicht hat, klingelt das Telefon noch immer. Daß der Anrufer deshalb so lange wartet, weil es eben nicht irgendeinen Privatdetektiv sucht, ist Angel zu diesem Zeitpunkt nicht bewußt und so taucht er zum verabredeten Zeitpunkt in Harlem auf, wo er sich mit dem Klienten des Notares Winesap (Dann Florek) verabredet hat. Angel kann nicht wissen, daß er längst die Hauptfigur in einem Spiel geworden ist, auf dessen Ende er nicht den geringsten Einfluß haben wird und so bietet es sich natürlich an, daß der Treffpunkt ein Gebäude, welches das Flair eines Theaters hat, ist, in dem zu diesem Zeitpunkt eine religiöse Gruppe ihren Gottesdienst zelebriert. Bereits vor der Tür trifft er auf Gläubige und im Inneren agiert ein Prediger. Als er das Gebäude betritt, ist Angel aus der Obersicht von einer Treppe hinab zu sehen, was als Zeichen dafür zu deuten ist, daß höhere Mächte ihn bereits hier im Auge und fest im Griff haben. Dies zeigt sich durch die Gitter und deren Schatten, die in ihrer Darstellung greifbar und real wirken, die um ihn herum sind und die ihn gefangen zu nehmen scheinen. Er betritt das heruntergekommene Theater über einen der oberen Ränge und beobachtet die Gemeinde. Für Angel, der sich als Atheist bezeichnet, dürfte diese Veranstaltung ein erneuter Beweis für die Pervertierung des Glaubens sein, denn der Prediger hat offenbar anstelle des Wohles der ihm anvertrauten Schäfchen sein eigenes Wohl im Sinne, wenn er die Gemeinde auffordert, ihm durch Spenden einen Cadillac oder Rolls Royce zu ermöglichen. Trotzdem hegen die Gläubigen keinen Argwohn und kommen der Aufforderung sofort nach. Überhaupt ist auffällig, daß Gläubige in diesem Film zumeist mit einer großen Freude an der Religion dargestellt werden, was ganz im Gegensatz zu Angels oftmals lethargischem Auftreten steht, was ihn wie ein heruntergekommener Sam Spade wirken läßt, der die Nächte durchgemacht hat und nun ungewaschen permanent verkatert ist. Die Freude dieser Gläubigen kann er nicht teilen und es scheint so, als sei ihm jede Form von Religiösität und auch Spiritualität fremd. Angel mag sich hierbei noch als Zuschauer fühlen, doch die Vorstellung, in der er reagieren muß, hat längst begonnen. Winesap begrüßt ihn und führt ihn zu seinem Klienten. Auf dem Weg dorthin kommen beide an einem Raum vorbei, in dem eine in Schwarz gekleidete Frau die Wand von Blut säubert. Winesap erklärt Angel, daß sich ein Mitglied der Gemeinde mit einer Waffe erschossen habe. Dieses Bild darf als die Versinnbildlichung des Satzes „There ist death eveywhere in these days, Johnny.“ gelten, den Louis Cyphre später sagen wird. Und für einen kurzen Moment hält Angel inne, ist dieses Bild doch das erste Motiv in einer Reihe von Visionen, die ihn fortan plagen werden und die ihn ans seine Vergangenheit erinnern. Angel ist tu diesem Zeitpunkt nicht klar, daß dieses Bild zudem als böses Omen gelten darf, denn auch er ist längst dem Tode geweiht, doch noch kann er dieses Puzzleteil nicht als solches erkennen, denn sofort danach trifft er auf Louis Cyphre, der in einem weiten Raum die beiden erwartet. Zu sehen ist zunächst nur seine Hand, deren Ringfinger durch einen Siegelring geschmückt ist. Durch seine Hände läßt er einen Stock gleiten. Der Ansatz seines aus edlem Stoff gefertigten Hemdes ist im Bildansatz noch zu erahnen. All dies deutet bereits darauf hin, daß Angels neuer Klient ein Mann von Stil und Wohlstand sein muß, was so ganz im Gegensatz zu dem steht, was Angel bislang gewohnt ist. Für einen weiteren Moment bleibt das Aussehen des ungewöhnliche Mannes noch im Unklaren, denn noch verweigert Parker den Blick auf ihn, da sich Winesap zwischen Cypher und die Kamera schiebt. Erst als dieser zur Seite tritt, gibt er den Blick auf seinen Klienten frei, was wie das Öffnen eines Vorhangs wirkt, der sich zu Beginn der Vorstellung zur Seite bewegt. War die Kamera eben noch in der Totalen, um den Raum zu zeigen, überwindet sie nun eine recht große Distanz und filmt Cypher jetzt in einer Nahaufname. Dieser sitzt auf einer kleinen Anhöhe und erinnert dabei an einen römischen Imperator, der als Herrscher in einer Art Thronsaal sitzt. Rechts und links davon sind Vorhänge zu finden, die den theaterhaften Charakter, aber auch das Herrschaftliche verdeutlichen, denn, wie sich später herausstellen wird, ist er ja tatsächlich der Herrscher der Finsternis. Seine Sprache ist ruhig, sicher, klar und wirkt zudem elegant . In ihrer Melodie wirkt die Sprache geradezu fließend und kontrastiert somit die schnodderige Ausdrucksweise des Harry Angel, die oftmals stockt, abgehackt klingt oder durch ein kurzes Hochziehen der Nase unterbrochen wird. Auch neigt Angel dazu, sehr undeutlich zu sprechen, was die Gegensätze der beiden nur noch verstärkt. Auch die Bewegungen unterscheiden sich deutlich. Cypher sitzt ruhig und sicher auf seinem Stuhl, während Angel immer in Bewegung ist. Er rutscht hin und her und steht schließlich auf, um in seinen Taschen nach seinem Ausweis zu suchen. Überhaupt darf die Aufforderung des Louis Cypher, ihm seinen Ausweis zu zeigen, nur als ein weiteres Spiel betrachtet werden, denn dieser weiß sehr wohl längst, wen er da gegenüber hat. So wirkt dieser Akt eher letztlich eher wie eine Verhöhnung Angels, der quasi seinen Ausweis wie eine Berechtigungskarte vorzeigen soll, um an einem Spiel teilnehmen zu dürfen oder wie eine Altersbestätigung, die es ihm erlaubt, einen Film ansehen zu dürfen, für den er ein bestimmtes Alter erreicht haben muß. Und auch hier zeigt sich erneut der Charakter des „mit einem Menschen spielen“ denn im Hintergrund erinnert die Täfelung der Decke allzusehr an ein Schachbrett. Gelassen blättert Cypher in Angels Papieren, der sich nervös umschaut. Überhaupt wird Cypher, wenn er mit Angel spricht, den Blick nur für einige wenige Momente von seinem Opfer ablassen. Vielmehr schaut er ihn permanent an, „durchschaut“ ihn quasi, also wolle er ihn hypnotisieren, während Angel diesen direkten Blick nicht erwidern kann. Und auch wenn Angel steht und auf Cypher herabblickt, so entsteht allein durch Angels Verhalten nie der Eindruck, als behalte er die Oberhand, was durch dieses Art der Untersicht für gewöhnlich erreicht wird. Sich sichtlich unwohl fühlend schaut er im Raum umher und entdeckt im Gegenlicht einen Ventilator, der zukünftig leitmotivisch für das eintretende Böse und den Tod eingesetzt werden wird. Dabei werden die Flügel der einzelnen Ventilatoren immer mehr zu Messern, die nicht nur die Luft zerschneiden suchen, sondern gleichsam auch den Tod über die Menschen, die sich zu diesem Zeitpunkt in Harrys Umfeld aufhalten, bringen. Angels Versuch, aus seiner Nervosität auszubrechen, wird im Keim erstickt, denn sein Bemühen, mehr über seinen Auftraggeber herauszufinden, wird von diesem abgeblockt, indem er ihm schlichtweg keine Antwort gibt. Vielmehr läßt er weiter den Stock in seiner Hand kreisen. Auffällig sind dabei die langen Fingernägel, die von Treffen zu Treffen immer länger werden, was jedoch zunächst nicht auffällt, ebenso wie die Frisur De Niros. Seine Haare sind zwar eng am Kopf anliegend, sind aber tatsächlich viel länger als es zunächst scheint, da sie am Hinterkopf zu einem verschlungenen Zopf zusammengeflochten sind und erst bei ihrem letzten Aufeinandertreffen wird er die Haare lang tragen, so daß sie bis zur Schulter fallen werden. Doch hier versorgt er Angel vielmehr nur mit den nötigsten Informationen über seinen Auftrag und erwähnt den Vertrag, den er mit dem Sänger hat. Interessant erscheint mir, daß Cypher in der Maske eines europäischen Ausländers auftritt, der zudem noch aristokratischer Herkunft oder aber dessen elitäres Auftreten hat, was auf die lange Tradition und Geschichte des Satans hinweist. Hierbei erweist er sich sozusagen als multikulturell, denn während sein Name französisch anmutet, stehen Verhalten und Sprache eher für britischen Adel. Sein Habitus steht damit im direkten Gegensatz zu der von Angel versuchten erzwungenen Lockerheit, die amerikanische Gelassenheit und unkompliziertem Umgang ausdrücken soll, aber hier völlig unangebracht wirkt. Dem flappsigen Ton Angels begegnet Cypher vielmehr mit sehr konzentriertem und aufmerksamem Auftreten, was ihn als Person schon viel interessanter und fast schon sympathisch werden läßt. Dies kann ich von Harry Angel auf keinen Fall behaupten. Als Zuschauer interessiert mich der Hintergrund und sein Schicksal, aber menschlich kann ich für ihn keine Sympathie entwickeln. Zu unzivilisiert und unbegründet brutal tritt er auf, zu ungebildet ist sein Geist. Als er den Namen seines Klienten falsch ausspricht, verbessert ich dieser sofort, doch wird er diesen Namen erst im letzten Moment, als sich dieser zu erkennen gibt, korrekt aussprechen. Doch auch zu anderen Gelegenheiten macht Angel nicht gerade durch Wissen Eindruck und entschuldigt dies vielmehr immer wieder mit derselben Ausrede „I´m from Brooklyn.“ Dazu ist er ein Mensch, dem Umgangsformen fremd sind und der allein durch sein schäbiges Auftreten dafür sorgt, daß man solch einen Menschen nicht länger als unbedingt notwendig um sich haben möchte, während Louis Cypher durch sein elegantes Auftreten sicherlich ein gerne gesehener Gast sein dürfte. Sehr geschickt und mit unglaublicher Präzission ist das Schauspiel Robert De Niros und man sieht ihm den Spaß an, mit der er diese Rolle verkörpert. Sein Äußeres mag hierbei durchaus an den Regisseur Martin Scorsesse angelehnt sein, denn zu sehr erinnert De Niros Frisur an den Regisseur, den er wohl nicht in allzu bester Erinnerung zu haben scheint. Besonders auffällig ist bei De Niros Bewegungen nicht nur das erwähnte Spiel mit seinem Stock, sondern auch das Reiben der Finger, vorzugsweise mit denen seiner linken Hand, das ihn wie ein Puppenspieler erscheinen läßt, der alle Fäden sicher in der Hand hält. Als er ihn mit den Einzelheiten des Auftrages vertraut macht und den Namen „Johnny Favourite“ ins Spiel bringt und kurz darauf den richtigen Namen „Jonathan Liebling“ erwähnt, trinkt er aus einem Glas mit Rotwein, was bei Licht betrachtet wohl als ein letztes Salut auf einen Totgeweihten gelten darf und eine zynische Anspielung auf das letzte Abendmahl Christi darstellen dürfte. Wer sein Blut trinkt, soll in Ewigkeit leben, doch wer an Cyphers Tisch gebeten wird, der hat diese Chance verwirkt und wird sterben. Was hier noch wie ein Kriminalfilm wirkt, soll Angel schon bald in einen Strudel des Mystischen ziehen, bei dem Louis Cypher amüsiert zusieht.