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3. Die Morde

„Oh Gott, falls es einen Gott gibt, errette meine Seele, falls ich eine Seele habe.“

Ernest Renan Angel beginnt seine Suche nach dem Verschollenen in der Anstalt, in der Liebling lange Zeit verbrachte. Auffällig ist von Anfang an, daß es in der Welt des Harry Angel offenbar wenig Platz für Schönheit und Ästhetik gibt. Alles ist unordentlich und heruntergekommen. Der Himmel ist zumeist grau, viele Gebäude haben ihre besten Tage schon lange hinter sich, was wohl auch für einen Großteil der Menschen gilt, sofern ihnen überhaupt jemals die Chance auf Schönheit in ihrem Leben vergönnt war. So bleibt nur Platz für kurze Momente, die Schönheit erahnen lassen, wenn etwa Margaret Krusemark ihre Hand über ihren Nacken streifen läßt. Vielmehr kriechen Aggression und Gewalt in die letzten Ritzen dieser Welt und machen auch vor Angel nicht Halt, was bereits bei seinen ersten Recherchen deutlich wird, wenn er auf Fowler trifft, den er sehr grob behandelt. Daß Angel eine dunkle Seite hat, wird hier durch die Ausleuchtung gezeigt, denn dieser befindet sich immer im Halbschatten, so daß eine Gesichtshälfte immer im Dunkeln bleibt. Um das zu erreichen, folgt die Beleuchtung daher oftmals der Regel „Aussage vor Logik“ und nimmt somit bewußt Anschlußfehler im Licht in Kauf. Der Wandel zum Bösen deutet sich bereits bei Fowler an, wenn ein Ventilator zu sehen ist, der langsam beginnt, sich zu drehen, um schließlich schnell zu rotieren, was auf die anschließende Tötungsorgie hinweist. Interessant erscheint mir, daß es in dem Film offenbar drei Ebenen gibt. Zum einen ist da die Gegenwart, in der sich Harry Angel bewußt bewegt. Zum anderen ist da seine Vergangenheit, die immer wieder als Vision oder Erinnerungsbruchstück auftaucht, aber schließlich ist da noch eine seltsame Zwischenebene, die nicht richtig Vergangenheit oder Gegenwart ist und zeitlich überhaupt schwer einzuordnen ist, da es sich um den Zustand handelt, in dem er auch, aber nicht nur, die Morde begeht. Zu dieser Ebene zählt auch das Erlebnis, daß er unmittelbar nach dem Verlassen von Fowlers Haus hat und das ihn zu einer Kirche führt. Warmes Licht scheint auf die Straße und fast hat es den Anschein, als sei dies die Wärme, die von der Geborgenheit der Religion ausgeht und aus der Angel außen vor bleibt, doch bald wird deutlich, daß es sich um die gleiche Farbe handelt, die aus dem Raum auf die Straße scheint, in dem einst das Opfer rituell umgebracht wurde. Vielmehr gibt Parker hier einen versteckten Hinweis aus die Lösung des Rätsels, in dem er den Bezug auf die Worte während der Wandlung von Wein zum Blute Christi herstellt, wo es heißt: „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, wird leben in Ewigkeit.“ Nichts anderes versuchte einst Jonathan Liebling und zynischer läßt sich dieser Vorgang nicht versinnbildlichen. Doch der Mord an dem alten Arzt soll nur der erste in einer Reihe von Tötungsdelikten werden, denen nacheinander auch die Wahrsagerin Margaret Krusemark (Charlotte Rampling), der Musiker Toots Sweet (Brownie McGhee) und letztlich Ethan Krusemark (Stocker Fontelieu) zum Opfer fallen, eher Angel hinter die grausame Wahrheit kommt.