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I. Das Portrait

Betrachtet man die Werke des Fotografen Edward Quinn, die unter anderem in dem Bildband „Stars Stars Stars – Off the screen“ veröffentlicht wurden, so kann beim Betrachter zunächst der Eindruck erweckt werden, Quinn habe tatsächlich einige der großen Filmstars rein privat abgelichtet und diese Schnappschüsse dann zusammengestellt. Bei näherer Betrachtung wird aber schnell deutlich, daß alle Photographien stets den Charakter des Schauspielers, Eigenschaften oder auch Filmmotive widerspiegeln und somit alles andere als reine Zufallsprodukte sein können. Die entscheidende Frage eines Photographen muß immer lauten, was er mit welchen Mitteln erzählen möchte und welches Ziel er somit verfolgt. Der Photograph Simon Marsden dokumentiert in seinem Bildband „Geistersuche“ Spuren des Unheimlichen. Seine Bilder, die fast ausnahmslos Gebäude in Europa zeigen, sollen die Aura des Magischen und Unheimlichen widerspiegeln, die von ihnen auszugehen scheint. Um den von ihm gewünschten Effekt jedoch dem Betrachter, der oftmals weder die Atmosphäre des Ortes gespürt hat noch dessen sagenumwobene Vorgeschichte kennt, zu vermitteln, nutzt Marsden die Fülle der technischen Möglichkeiten seiner Kamera aus, indem er durch die Wahl von Belichtungszeiten, Blende oder Art des Filmes, aber auch durch spätere gezielte Nachbearbeitung mittels Fotopapier, weiterer Filter bei der Belichtung oder Veränderungen beim Entwicklungsvorgang den von ihm gewünschten Effekt erzielt. (Siehe Anhang, Abbildung 1) Die entstandenen Bilder zeugen nun zwar nicht mehr von Authentizität, aber genau dies ist es ja schließlich nicht, was Marsden erreichen will. Nicht die Abbildung der möglichst objektiven Realität ist sein Ziel, sofern dies überhaupt möglich sein kann, sondern die Vermittlung einer sehr subjektiven Form der Wirklichkeit.
So nutzt auch Edward Quinn die Möglichkeit der Inszenierung, wenngleich er auch weniger mit technischen, sondern vielmehr mit gestalterischen Mitteln arbeitet: Seine Bilder von Anthony Perkins (Abb. 2) zeigen diesen beispielsweise, wie er auf einem etwas altmodischen Sofa sitzt, das linke Bein angewinkelt und sein Blick der Kamera ausweicht. Geradezu akribisch liegt ein Tuch über dem Kopfteil des Sessels, auf daß das Polster so wenig wie nur möglich strapaziert wird. Auch die kleine Decke auf dem Beistelltisch soll das wertvolle Möbel so lange als nur möglich vor äußeren Einflüssen schützen. Der Betrachter sieht sich sofort mit Norman Bates konfrontiert, der nur darauf zu warten scheint, daß seine herrische Mutter gleich zur Tür hereinkommt.
Quinns Bilder mit John Wayne (Abb. 3) zeigen den seit jeher von Schiffen faszinierten Star an Bord einer Yacht des Reeders Onassis. In der einen Hand hält er eine Zigarette, in der anderen eine Filmkamera auf Hüfthöhe. Der Fokus des Bildes ist jedoch weniger auf ihn, sondern vielmehr auf die Kamera gerichtet, so daß der Eindruck des schußbereiten Westernhelden, der auf den Showdown wartet und nochmals einen Zug aus der Zigarette zieht, nicht von der Hand zu weisen ist. John Wayne ist auch hier nicht der Schauspieler, sondern eben immer wieder der Cowboy.
Das Bild mit James Stewart (Abbildung 4) reduziert diesen zwar nicht auf eine seiner Rollen, verdeutlicht jedoch durch den Wahl des Ausschnittes die immense Körperlänge des Schauspielers, die ihm immer wieder das Image des großen Jungen, der sich eher schlacksig durch die Handlung bewegt, einbrachte.
Überhaupt ist die Rollengeschichte, aber auch Eigenarten des Stars, immer wieder Anlaß, bestimmte Bilder zu veröffentlichen oder andere eben nicht. Nachdem Leonardo DiCaprio in „Titanic“ (Regie: James Cameron) erfolgreich war, wird von einem mir unbekannten Fotografen ein Bild (Abb. 5) von ihm veröffentlicht, daß ihn vor blauem Hintergrund zeigt. Die Farben des Gesichts sind entsättigt, das Photo wirkt wie eine direkte Anspielung auf den Tod im eisigen Wasser des Nordatlantiks. In einem späteren Bild (Abb. 6), das für die Fotostrecke einer Frauenzeitschrift entstand, ist Leonardo DiCaprio sitzend auf den Bäumen inmitten einer italienischen Landschaft zu sehen. Zum einen soll dies sicherlich eine Anspielung auf die italienischen Vorfahren des Schauspielers sein, zum anderen soll hier aber auch auf die Bodenständigkeit und die Verwurzelung mit familiären Werten sein, nachdem über Leonardo DiCaprio in zahllosen Gazetten die wildesten Geschichten über ausschweifende Partys und Drogenmißbrauch zu lesen waren.
Deutliche Assoziationen zu seinen Filmen wünscht sich hingegen Alfred Hitchcock. Bei den ihn zeigenden Portraitphotos beweist er zudem Sinn für Humor und einen gewaltigen Schuß Selbstironie. Eines der Bilder (Abb. 7) zeigt denn Regisseur mit einer Zigarre, auf der als deutlicher Verweis auf „Die Vögel“ ein schwarzer Rabe Platz genommen hat. Auf einem anderen Photo (Abb. 8) schwimmt er als Wasserleiche vor dem Houses of Parliament in London in der Themse, was eine Anspielung auf die im Wasser treibende Leiche in seinem Film „Frenzy“ (England, 1972) darstellt. In diesem Film beobachtet Hitchcock selbst als Komparse die Bergung der Toten. Durch das Photo entsteht aber nicht nur ein augenzwinkernder Verweis auf die eben genannte Sequenz, sondern es inszeniert den Meister des Suspense zudem vielleicht auch als ein Opfer seiner eigenen Werke. Doch selbst als Wasserleiche fällt er niemals aus der Rolle, die ihn stets „very british“ und mit einem besonderen Sinn für trockenen Humor darstellt, den er auch ansonsten nicht verliert, wenn er etwa als Gesicht in der Menge erscheint und zusätzlich eine Nachbildung seines eigenen Kopfes (Abb. 9) in den Händen trägt. Hier bildet er sozusagen Leiche und Zuschauer in einer Person, was eine Ironisierung des Umstandes darstellt, daß er in allen Filmen irgendwo im Hintergrund aufzutauchen pflegt und in seiner Funktion als Regisseur für die Leichen, die im Laufe des Filmes auftauchen, verantwortlich ist.
Ebenfalls einen ironischen Seitenhieb auf ihre Filmkarriere leistet sich Jamie Lee Curtis, wenn sie sich in einer Badewanne voller Blut ablichten läßt (Abb. 10). Hier spiegelt sich natürlich nicht nur ein erotischer Moment wider, sondern eben auch die Tatsache, daß sie in vielen ihrer Filme schreiend einem Mörder flüchten mußte, was ihr den Ruf einer „Sream Queen“ einbrachte.