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2. Patrick Bateman - Der unsichtbare Mann

„There is an idea of a Patrick Bateman. Some kind of abstraction. But there is no real me.“


Der Film spielt im Jahr 1987. Amerika ist geprägt durch den wirtschaftlichen Aufschwung und die nach Außen hin proklamierte Stärke der Reagan-Ära. Von diesem Boom profitiert auch Patrick Bateman, ein typischer Yuppie, der in einer New Yorker Firma als „Vice President“ arbeitet.
Ein wichtiger Teil seines durchorganisierten Tages besteht in seiner, wie er es nennt, „daily routine“, die er im Bad geradezu ritualisiert und die als satirischer Blick auf den neuen amerikanischen Körperkult verstanden werden darf. Hierbei stellt er sich mir zum ersten Mal direkt vor, doch wirkt dies nicht anders, als würde er sich um eine neue Stelle bewerben. Er nennt lediglich biographische Daten wie Alter oder Adresse, jedoch nichts Persönliches. Und doch läßt er mich an seiner Morgentoilette teilhaben, bei der sehr schnell klar wird, daß es hierbei um eine Verwandlung oder auch um das Auflegen einer Maske geht, die das lebende Wesen Patrick Bateman zu dem macht, was er nach Außen darstellen will. Obwohl er nur mit einer Unterhose bekleidet ist, wirkt er nicht wirklich nackt, denn sein muskulöser Körper erscheint wie eine Rüstung, an der alles abprallt und die erst recht nichts durchdringen kann. Wenn er auf das Bild mit dem Kind blickt, das im Badezimmer hängt, dann wird durch das Übereinanderspiegeln seines Gesichtes mit dem des Kindes deutlich, daß dieser in kaltem Blau ausgeleuchtete Patrick Bateman bald mit seinem Idealbild verschmelzen wird, mit dem er der Außenwelt die Illusion eines funktionierenden Menschen vorgaukeln wird und dem niemand auch nur im Ansatz das zutraut, was er zu tun imstande zu sein scheint. Lediglich der Tupfer roter Farbe an der Seite des Bildes läßt erahnen, daß es in diesem Abbild in Schwarz und Weiß ein grausames Eigenleben gibt, daß scheinbar völlig unter der unschuldigen Fassade zu verschwinden scheint. Überhaupt versteht es Regisseurin Mary Harron geschickt, immer wieder Hinweise auf Patricks Doppelleben zu geben. Hierbei darf zunächst der Name selbst gelten, weckt dieser doch zunächst einmal die Assoziation zu Norman Bates, dem geisteskranken Mörder aus „Psycho“. Wenn sich Patrick hingegen am Morgen seine Kühlmaske über die Augen zieht, wird deutlich, daß er sich eben auch in einer Art Film zu bewegen scheint, in dem er die Hauptrolle spielen will. Zu sehr erinnert die blaue Maske zusammen mit seinem ästhetischen muskulösen Körper doch gerade wenn er sich im Gegenlicht befindet, an Batman. Auch die namentliche Ähnlichkeit zu ihm deutet seine zwiespältige Persönlichkeit an, zählt Batman doch zusammen mit Superman zu den sogenannten Superhelden im Comicbereich, der anders als Superman seine Arbeit eher in dunklen Gassen verrichtet. Doch im Gegensatz zu diesem Helden, der seine Heldentaten aus Idealismus und aufgrund eines kindlichen Traumas verrichtet, geschieht dies bei Patrick aus reinem Selbstzweck. Das Pflegen des Körpers mit teurer Kosmetik dient letztlich nur der Aufrechterhaltung des Images eines immer jugendlichen und dynamischen Geschäftsmannes, der sein eigenes Vorankommen über alles stellt, wobei er sich niemals fragt, wofür und für wen er dies letztlich alles tut. Vielmehr gilt es offenkundig, die innere Leere durch Äußerlichkeiten zu überdecken und durch ein entsprechendes Erscheinungsbild keinerlei Zweifel an seiner Zufriedenheit aufkommen zu lassen. Regisseurin Harron unterstreicht dies in einem Interview: „Amerikaner wollen alles kontrollieren und alles zur Perfektion treiben.“  Das behutsame Auftragen der kosmetischen Mittel und das beinahe zärtliche Berühren des eigenen Körpers macht deutlich, daß es hierbei nicht nur darum geht, den eigenen Körper als bedeutendes Gut zu pflegen, sondern verdeutlicht auch, daß Patricks Liebe nur sich selbst bzw. der Vision, die er von einem Patrick Bateman hat, gehört. Wie durch eine tägliche Transformation wird sein Körper geschickt, dessen Gesichtszüge schließlich durch die aufgetragene Peelingmaske konturlos werden, um letztlich mit der perfekten Maske daraus hervorzugehen. Wer jedoch ein solches Peeling benutzt, weiß, daß dieses ein äußerst einengendes Gefühl erzeugt, da die Haut dadurch insgesamt gestrafft wird, wenn das Gel kurze Zeit nach dem Auftragen erstarrt. Somit wird die Bewegungsfreiheit der  
 Gesichtsmuskulatur deutlich eingeschränkt. Viele Gesichtszüge werden nur noch minimal darstellbar oder sind gänzlich unmöglich, will der Träger die aufgetragene Maske nicht zerstören. Auch im übertragenen Sinne zeigt dies, daß sich Patrick hier selbst in eine Situation bringt, die es ihm verbietet, er selbst zu sein oder sich selbst zu finden. Trotz der Teilnahme an solch einem persönlichen Vorgang wie der Körperpflege  kommt die Kamera jedoch nie sehr nahe an Patrick heran. Ich nehme ihn zunächst als Teil der Wohnung wahr, wenn er im Badezimmer verschwindet. Langsam nähert sich ihm zwar dann auch die Kamera, doch bleiben die Einstellungsgrößen bei Großaufnahmen stehen, die dann zumeist auch über Reflexionen im Spiegel geschehen. Detailaufnahmen vermeidet die Kamera gänzlich und trägt damit auf raffinierte Weise dem Umstand Rechnung, daß es keine Details, also keine individuellen Merkmale bei Patrick zu erkennen gibt.
Und eben jener erwähnten Masken bedient sich Patrick pausenlos, etwa wenn er  vermeintlich zu den Klängen des Songs „I´m walking on sunshine“ durch die Gänge schreitet und dabei deutlich an den Film „The secret of my success“ (USA 1987, Regie: Herbert Ross) anspielt, aber dann doch deutlich macht, daß er sich lediglich jenes Klischees bedient und dieses dabei durch sein kaltes emotionsloses Gesicht kontrastiert, in dem er die Musik nicht als Widerspiegelung seines Gemütszustandes sieht. Vielmehr konsumiert er das Stück über Kopfhörer und erschafft sich so gleichsam eine eigene Wirklichkeit neben der existierenden. Seine Kollegen und Mitarbeiter, die ihn grüßen, kann er somit zwar nicht hören, doch dies ist auch nicht notwendig, kommunizieren sie doch lediglich in Phrasen miteinander, die ihm jederzeit, ohne die Frage gehört zu haben, die passende Antwort bereithalten läßt oder er schweigend weiterläuft. Bateman weiß, daß er in dieser Situation dominant ist und dies zeigt sich beispielsweise auch in Nuancen an seiner Kleidung. In Momenten, in denen er sich stark und überlegen fühlt, trägt er eine Krawatte in kräftigem Rot. Auch der Dialog mit seiner Sekretärin darf zu diesen Momenten der Stärke zählen. In knappen Anweisungen koordiniert er den weiteren Tagesablauf und verhindert somit das Zustandekommen eines Gespräches. Gerade auf ihre Frage, wie sie denn Termine absagen könne, antwortet er mit dem Satz „Just say No.“. Dies unterstreicht zum einen seine Souveränität, dient aber auch als satirischer Seitenhieb auf den von Nancy Reagan proklamierten Slogan, die mit eben diesem Satz in den 80er Jahren ein ebenso simples wie ineffektives Schlagwort im Kampf gegen Drogenmißbrauch prägte.