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7. Sex mit der Bestie

Wie eine Kutsche zu Zeiten Jack the Rippers fährt eine schwarze Limousine durch die dunklen und beinahe menschenleeren Straßen, um schließlich vor einer einsamen Prostituierten anzuhalten. Es ist Patrick, der sie vom Fond aus anspricht und zu sich in sein Apartment einlädt. Unterwegs ordert er über das Autotelefon eine weiteres Callgirl. Dabei tritt er nun unter dem Namen Paul Allen auf, nutzt also erneut wieder eine der austauschbaren Identitäten. Wenn er der Prostituierte teuren Badezusatz in die Wanne gießt und Simply Reds wunderbarer Song „If you don´t know me by now“ ertönt, könnte dies der Beginn einer wunderbaren romantischen Szene werde, wäre da nicht das Wissen um die Künstlichkeit der Situation, denn nicht Gefühl, sondern Geld treibt die Frau an. Dazu kommt, daß Patricks Handlung, sie sanft mit Wasser zu besprenkeln, doch in deutlichem Kontrast zu seinen sexuellen Forderungen steht, wenn er die Frau auffordert, sich in aufreizender Pose die Vagina zu reinigen. Diese Forderung wird durch das Vortragen mit sanfter Stimme aber seinerseits beinahe wieder ad absurdum geführt. Das Eintreffen der zweiten Frau beendet das Geschehen im Bad. Die Tatsache, daß er den Frauen Phantasienamen gibt, unterstreicht das Ausleben seiner Wünsche und Vorstellungen und so wirkt das kurze Gespräch, bei dem sie sich Kennenlernen sollen auch letztlich nur wie die notwendige Pflichterfüllung eines alten Klischees, das nun einmal notwendig ist, um Patricks illusorische Welt scheinbar perfekt in die reale Welt zu transformieren. Doch die Begeisterung bei den Frauen hält sich in Grenzen, geht es ihnen doch letztlich nur um die Ausübung ihres Jobs. So trübt sich Patricks Stimmung, als keine der beiden mit seinem Arbeitgeber etwas anzufangen weiß. „Christie“ (Cara Seymour) wechselt das Thema und bewundert Patricks Apartment, was diesem zunächst sichtlich schmeichelt. Als sie ihn jedoch fragt, wieviel es gekostet haben mag, blockt er, denn Patrick scheint es wohl zu mißfallen, seine Wohnung auf bloße Zahlen reduzieren zu wollen. Vielmehr würde es ihm wohl zusagen, wäre sein Apartment in gleicher Weise gelobt worden, wie er selbst über seine Musik urteilt. Zudem ist es natürlich auch ein Zeichen von Macht, die er hier ausübt, indem er weitere Details über Kosten verschweigt und hiermit den klaren Eindruck erweckt, daß es überhaupt nicht notwendig ist, darüber zu reden, da der Preis so astronomisch hoch ist, daß weder „Christie“ noch ihre Kollegin sich dieses leisten könnten. Er zieht somit deutliche Grenzen zwischen seiner Welt und der ihren. Zu den Klängen von Phil Collins winkt er beide zu sich ins Schlafzimmer, doch auch die romantische Musik schafft es nicht, hier auch nur die Illusion einer Romanze entstehen zu lassen. Patricks anhaltendes Gerede über die Bedeutung der Musik ist es, was diese Stimmung eben gerade verhindert und fast erscheint es, als kenne Patrick zwar die theoretische Wirkung der Musik, aber seinerseits nicht fähig ist, diese auch zuzulassen. Statt dessen versteckt er sich hinter seinem Redeschwall, um verbal etwas auszudrücken, was er anders wohl gar nicht vermitteln kann. Dies wird dadurch unterstrichen, daß nun eine Vermischung aus Musikkritik und seinen Wünschen eintritt. Beides ließe sich durchaus auf anderem Wege mitteilen, indem er die Musik einfach wirken lassen würde und er etwa den eigentlich sinnlichen Vorgangs des Ausziehens nicht anordnen, sondern einfach durchführen würde. Seine Befehle lassen aber erst gar keine Form der Sinnlichkeit entstehen. Wenn er die Videokamera in Position bringt, deutet sich bereits an, daß es erneut nur um die Durchführung einer Machtphantasie geht, indem er den jüngst konsumierten Pornofilm nun mit sich als Hauptdarsteller erleben will. Dafür spricht auch, daß pornographische Filme in der Regel auf den männlichen Geschmack ausgerichtet sind und Frauen lediglich als Objekte und Mittel zum Zweck betrachtet werden. Patrick wird zum Regisseur und somit zum uneingeschränkten Herrscher über das Geschehen. Er bestimmt die Handlung, das Timing und die musikalische Untermalung und wird letztlich auch zum heroischen Hauptdarsteller, der seinen „Triumph“ nicht nur auf Video gebannt hat, sondern sich auch während des Aktes bevorzugt mit Siegerpose im Spiegel bewundert und dabei die Stärke seines eigenen Körpers zelebriert. Abweichungen läßt er nicht zu. So ist der Akt nur ein Instrument der Selbstdarstellung und weniger Genuß, denn Patrick ist zu sehr damit beschäftigt, sich selbst zu inszenieren, als daß er es genießen könnte.
Was bislang noch als die Verwirklichung seiner Allmachtsphantasie gelten mag, wird sich schon bald ändern, wenn Patrick mit den Frauen im Bett liegt. Mittlerweile ist das Licht gelöscht und es ist dunkel. Und ins Dunkle driften nun auch wieder Patricks Phantasien, wenn er eine Schublade öffnet, in der sich allerlei handwerkliches Gerät, Scheren, Zangen und ein Drahtbügel liegt, den er herausnimmt. Auf die Bitte der Frauen, nun gehen zu können, antwortet er mit einem bestimmenden „We´re not through yet.“ und deutet somit bereits durch seine Stimme an, daß seine dunkelste Seite nun Regie führt. Harron überläßt es der Vorstellungskraft der Zuschauer, was sich nun ereignet haben könnte, denn die nächste Einstellung zeigt bereits, wie die beiden Frauen die Wohnung eilig verlassen. Besonders „Christie“ macht dabei einen bemitleidenswerten Eindruck, denn sie humpelt und blutet im Gesicht. Wenn sich die Kollegen um Patrick in ihrem Club treffen, wird doch anhand seiner süffisant gestellten Frage über Frauen („What if they have a good personality?“) und vor allem anhand des Gelächters deutlich, daß Patrick wie auch seine Kollegen Frauen nicht ernst nehmen und diese für sie vielmehr eine Ware sind, die ihnen uneingeschränkt zur Verfügung zu stehen hat. Von daher wundern Patricks Phantasien nicht, wenn er sie benutzt und mißbraucht, ganz so wie er es als Herr über sie wünscht. Da Frauen seiner Meinung nach keine gute Persönlichkeit haben können, verdienen sie es vielmehr nicht anders. Es wird deutlich, daß im Grunde jeder der Männer Frauen haßt und verachtet und diese in zunehmenden Maße aber auch als Bedrohung empfunden werden. Mary Harron unterstreicht dies, wenn sie sagt: „Überdies eignen sich Frauen zunehmend öffentlichen Raum an. Dies verunsichert.“  In dieser, so Harron, „elitären Machowelt der Wall Street werden Männer zu Killern gemacht“. Diesem Gebaren schreibt sie selbst eine starke Homoerotik zu.  In ihrer Umsetzung des Buches von Bret Easton Ellis kann ich diesen Aspekt aber nur teilweise wiederfinden. Allein die distanzierte Kamera verhindert bereits jeden Aspekt von Erotik, läßt diese doch keinerlei Nähe zu. Richtig ist statt dessen, daß die Männer in gewisser Weise von sich selbst und ihren männlichen Kollegen besessen sind. Dadurch entsteht unweigerlich ein gewaltiger Druck, sich behaupten zu müssen. „Sie leiden genau wie wir Frauen unter dem Zwang, perfekt sein zu müssen.“ , so Harron, und verdeutlicht dies eben auch in oben besprochenem „Kartenspiel“. Zudem darf erlaubt sein, auch hier mit Freud zu argumentieren, denn das Bild einer Frau, die sich gegen Bateman auflehnt, wenn sie ihn etwa kritisiert, entspricht so gar nicht dem Bild der guten Mutter und muß somit als ein Störfaktor in Patricks Leben verstanden werden, den dieser nur durch Mord auszumerzen versteht.