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6. Der Mord an Paul Allen

Patrick trifft sich mit seinem Rivalen Paul in einem Restaurant, wobei er weiterhin Marcus Halberstrams Identität nutzt. Dies zeigt einmal mehr, wie sehr er mittlerweile seinen eigenen Namen als austauschbare Ware ansieht und auch weiter in anderen Welten lebt. Paul gibt erneut damit an, daß er im „Dorsia“ einen Tisch bekommen kann und wenig später nennt er den ihm vermeintlich unbekannten Patrick Bateman einen „Loser“. Dieser reagiert auf diese Art der Anfeindungen scheinbar ausweichend. Interessant erscheint mir hier, daß er zunächst die Bedeutung des „Dorsia“ herunterspielt, um Paul einen Dämpfer zu verpassen, dann sogleich die Bedeutung des Restaurants, in dem sie sich befinden, heraufspielen will, indem er glaubt, Irvana Trump gesehen zu haben und somit seine eigene Nähe bedeutungsschwanger aufladen will, dies dann aber sofort verneint, um Paul, der das Restaurant ausgesucht, erneut indirekt eine Spitze zu versetzen. Auf die Bezeichnung „Loser“ geht er zunächst überhaupt nicht ein. Doch bald wird sich zeigen, daß diese Art der Anfeindung von Patrick als direkte Kritik an ihm und seinem Leben empfunden wird. Die einzig für Patrick mögliche Konsequenz ist, daß er diesen Kritiker ausschalten muß. So lädt er Paul in seine Wohnung ein. Diese ist mit Zeitungspapier und zahllosen Tüchern verhüllt, wohl um die Reinigung nach dem Mord in Grenzen zu halten, aber in erster Linie eben auch, um so wenig wie möglich von „seiner“ Welt mit dieser dunklen Seite in Verbindung zu bringen. Zunächst nur bruchstückhaft beginnt hier eine langsame Vermischung der beiden Welten, die bislang so unvereinbar scheinen. Patrick präsentiert eine CD von „Huey Lewis and the News“ und beginnt sodann über die früheren Werke der Gruppe zu philosophieren.  Es handelt sich dabei um eine Eigenschaft von Patrick, die immer wieder anklingt und bei der ich das Gefühl habe, er spricht über höchst anspruchsvolle klassische Musik. Letztlich kommentiert er hier aber „nur“ populäre Unterhaltungsmusik, die sicherlich gut gemacht ist und zurecht typisch für die Musik der 80er Jahre ist, doch sind es eigentlich Massenprodukte, deren künstlerischer Gehalt nun nicht sonderlich bedeutend ist. Dennoch kommentiert er beinahe mit der Wortwahl eines anspruchsvollen Musikkritikers. Deutlich wird dabei, daß Patrick diese Musik nutzt, um sich selbst den Anspruch und die Qualität zu verleihen, die er so sehr sucht. Indem er sich als Freund eben jener Musik darstellt, projiziert er seine positive Meinung darüber letztlich auf sich und assoziiert sich stark damit. So verwundert es auch nicht, daß er sich ausgerechnet Huey Lewis Song „It´s hip to be square“ als den Song ausgesucht hat, mit dem er sich Paul präsentiert, reflektiert dieser Song doch die Begeisterung für gewöhnliches und geradezu spießiges Handeln. Doch Patrick geht noch einen Schritt weiter und sieht sich dadurch auch in seinem Hang zum Konsum und dem unreflektierten Aufspringen auf Trends bestätigt, die der Song seiner Meinung nach anpreist. Patrick fordert geradezu dazu auf, nicht nur auf die Musik, sondern auch auf den Text zu achten, was hier fast wie eine schon humoristische Aufforderung wirken mag, auch ihm selbst zuzuhören. Eine Kritik an seiner Musik, wie sie eine seiner nächtlichen Gespielinnen später äußern wird, wenn sie über Whitney Houston  lacht, kommt somit einer Kritik an ihm selbst gleich. Und dieser kann er interessanterweise überhaupt nichts entgegensetzen. Vielmehr klingen seine Äußerungen wie auswendig gelernt oder zurecht gelegt, als daß sie zu einer wirklichen Diskussion über diese Musik führen könnten. Dieses Philosophieren über Musik darf jedoch auch als eine klassische Übersprungshandlung verstanden werden, mit der es Patrick schafft, Distanz zwischen sich und seinem Gegenüber aufzubauen und diesen erst gar nicht an sich heranzulassen. Auch nutzt er diesen Redeschwall, um den sichtlich durch Drogen oder Alkohol angeschlagenen Paul nicht zum Nachdenken kommen zu lassen, als ihm die Auskleidung der Wohnung oder der Regenmantel auffällt. Letzteren zieht sich Patrick über, als er den Mord an Paul vorbereitet. Auch das Material, transparenter Kunststoff, trägt dem Umstand der undefinierten Persönlichkeit Patricks Rechnung, wirkt aber auch wie ein Schutz vor dem Blut seines Opfers, so als wolle er möglichst viel seines Körpers von dieser Tat fernhalten. Auch diese Barriere wird, ähnlich der Auskleidung seiner Wohnung mit Papier, später gänzlich entfallen. Der Mord an Paul gestaltet sich aber nicht nur wegen des Regenmantels fast schon witzig, denn um die Axt so lange wie möglich zu verbergen läuft Bateman mit Moonwalk-Schritten rückwärts ins Wohnzimmer, spricht dazu weiter über Huey Lewis, wobei seine Stimme die Worte deutlich überbetont und beinahe ins Groteske läuft. Auch seine Bewegungen sind viel ausladender und schwungvoller als gewöhnlich und fast fühle ich mich wie in einer schlechten Theateraufführung. Bateman scheint diesen Moment zu genießen und es bereitet ihm sichtlich Freude, den verhaßten Rivalen bald aus dem Weg räumen zu können. Sein Gesicht wird dabei zu einer belustigten Grimasse und tänzelnd läuft er zu der Axt, um Paul dann auf die drohende Gefahr aufmerksam zu machen. Erst in diesem Moment verändert sich sein Ausdruck zu einer brutalen Bestie, die wild auf sein Opfer eindrischt und dieses haßerfüllt anschreit, als sich der gesamte aufgestaute Haß, der bislang unter der Maske des angepaßten jungen Mannes domestiziert war, entlädt. Bateman scheint es geradewegs zu genießen, wie ihm das Blut ins Gesicht spritzt, was als einer der Gründe gelten darf, warum er bei seinem späteren Mord gänzlich unbekleidet sein Opfer jagt. Nachdem er Paul getötet hat, zündet er sich eine Zigarre an. Es darf als eine großartige Leistung von Christian Bale gelten, wie er hierbei von dem Moment höchster Erregung auf ein gänzlich entspanntes Level herunterkommt, zumal dies in einer Einstellung gänzlich ohne Schnitt geschieht. Seine endgültig ironisierende Brechung erhält diese Sequenz aber spätestens durch die andauernde Musik des Popsongs, der so gar nicht zu der Dramatik des Mordes paßt und somit als ein Zeichen für die „andere Welt“ gilt, in der Patrick lebt und in der er sich immer noch befindet.