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3. Die Welt des Patrick Bateman

Patrick Batemans Leben findet in einer Welt statt, die in zwei Extreme verfällt und somit die beiden Seiten seiner Persönlichkeit widerspiegeln. Zum einen ist da sein teures Apartment, sein Arbeitsplatz und die edlen Lokalitäten, in denen er verkehrt. Auf der anderen Seite zieht es ihn aber immer wieder in düstere Clubs, dunkle Gassen und verwahrloste Straßenzüge.
Betrachtet man zunächst seine exklusive Wohnung, so wird bereits hier der Gegensatz zwischen Hell und Dunkel, Schwarz und Weiß deutlich, die seine Einrichtung dominieren. Selbst kleinste Details werden nicht dem Zufall überlassen. Vielmehr wirkt die Aufmachung ebenso perfekt wie Batemans Maske, reflektiert sich doch hier in einzigartiger Weise die oftmals in Möbelkatalogen vertretene Aussage, die Wohnung sei ein Spiegel der Persönlichkeit. Weiße Wände und ein sehr heller Fußboden werden farblich durch einige wenige schwarze Möbel kontrastiert, wie etwa durch den schwarzen Herrendienerstuhl an der Wand oder durch den Fernseher. Doch selbst die Sitzgruppe setzt bereits den Schwarz-Weiß-Kontrast fort, denn dem weißen Sofa ist ein schwarzer Zweisitzer angeschlossen. An den Wänden finden sich nur wenige Accessoires und in erster Linie sticht ein schwarzes Bild, das einem Scherenschnitt nicht unähnlich ist, hervor. Es zeigt eine Person, die in leicht gebückter Haltung eine Flöte spielt. In dem farblichen Arrangement des Apartment spiegeln sich die beiden Seiten des Patrick Bateman wieder, denn während die hellen Möbel, Wände und Böden seine für jedermann sichtbare, scheinbar perfekte, reine und makellose Fassade repräsentieren, wird dieses Erscheinungsbild immer wieder durch schwarze Elemente durchbrochen. Dem Bild im Wohnzimmer mag dabei eine vielschichtige Bedeutung zukommen, denn zum einen weckt es durchaus Assoziationen mit dem Rattenfänger von Hameln. So wie diese Märchengestalt läßt Bateman seine Opfer quasi nach seiner Pfeife tanzen, um sie schließlich ins Verderben zu stürzen. Ebenso deutet sich aber auch durch die gebückte Haltung des Musikanten an, daß auch Batemans Macht nicht uneingeschränkt ist und daß auch er letztlich nur ein Rad in einem Getriebe ist und in einer Welt lebt, in der er sich anpassen muß. Gerade der Aspekt der Anpassung reflektiert sich in der schattenhaften Gestaltung der Figur des Flötenspielers, den schließlich ist hierbei lediglich die Silhouette erkennbar, die durch ihre schemenhafte Gestalt keine Details erkennen läßt. Dies setzt sich in der Wohnung fort, denn so geschmackvoll und exklusiv sie auch eingerichtet sein mag, so läßt sie doch jedes Anzeichen von Individualität vermissen. Und tatsächlich könnte jeder hier leben, erscheint es doch mehr wie ein Hotelzimmer als wie die Wohnung eines Menschen, der hier dauerhaft wohnt. Auch das leistungsstarke Teleskop am Fenster deutet nicht etwa auf die Begeisterung für Astronomie hin, sondern stellt vielmehr ein nutzloses Requisit dar, denn Bateman gebraucht es niemals. Um so mehr wirkt es wie eine Anlehnung an das Klischee, daß sich in den Büros mächtiger Männer solche optischen Geräte befinden, denn zumindest wird das in zahlreichen Filmen immer wieder gezeigt und aus eben jenen Klischees bedient sich Bateman auch, um sein Bild von sich für die Außenwelt zu formen. Wenn beim Betreten des Korridors Klaviermusik erklingt, so weckt dies für einen Moment den Eindruck, als spiele Bateman selbst auf einem Flügel, doch schon beim Blick in die Wohnung wird deutlich, daß es sich auch hierbei nur um eine Tonkonserve handelt. Zwar unterstützt auch die Kameraführung den ersten Eindruck, es handele sich bei dem Bewohner um einen musikalisch begabten Menschen, doch auch hier deckt ein genauerer Blick auf, daß es sich hierbei nur um einen  Trugschluß handelt.
Auch das Schlafzimmer setzt diese Identitätslosigkeit fort. Das weiße Bett mit der weißen Bettwäsche kann, unterstützt durch die helle Ausleuchtung, keinerlei Konturen werfen und selbst die weiße Vase, die sich in einer Nische in der Wand befindet, fällt kaum auf, denn auch sie wirkt durch die weiße Wandfarbe völlig kontrastlos.
Nicht anders verhält es sich mit seinem Büro. Die teuren Möbel sind exakt angeordnet, aber Persönliches findet sich auch hier nicht. Auch muß ich mich doch ernsthaft fragen, was genau Patrick dort überhaupt macht, denn sein Beruf als „Vice President“, wie es auf der Visitenkarte zu lesen ist, scheint nicht nur aufgrund der Häufung dieser Bezeichnung auf den Visitenkarten seiner Kollegen äußerst inflationär gehandhabt zu werden, sondern bietet auch keine genaue Definition des Berufsbildes. Zumeist sieht Patrick in seinem Büro fern, liest Magazine oder hört Musik, und auch der Blick seiner Sekretärin in seinen Terminkalender widerlegt das Image, er hetze von einem Termin zum anderen. Somit kann es sich auch hierbei nur um ein Stück von inszenierter Realität handeln, um sich selbst als wichtig und unabkömmlich zu etikettieren. Tatsächlich scheint er einen großen Teil seiner Zeit damit zu verbringen, sich mit Kollegen in edlen Restaurants zu treffen, in denen sie selbstverständlich mit ihren Kreditkarten von „American Express“ bezahlen, die gegen Ende der 80er Jahre einem deutlich elitäreren Klientel vorbehalten waren, als dies heute der Fall ist.
Einen Vorgeschmack darauf bietet bereits der Vorspann, der in eines dieser edlen Restaurants führt und bei der das gesellschaftliche Event im Mittelpunkt stehen soll. Doch gerade dies scheint Patrick und seine Kollegen mehr zu langweilen, als daß sie es wirklich genießen könnten. Zu sehr lümmeln sie sich auf ihren Stühlen herum und ihr Gesprächsthema ist weniger die Qualität des Essens, sondern vielmehr die verpaßte Möglichkeit, im angesagten „Dorsia“ zu speisen, wobei keiner dieser Herren dort wohl jemals einen Tisch reservieren wird, da es außerhalb ihres Einflußbereiches zu stehen scheint. So debattieren sie vielmehr über  mögliche Prominente, die sich im selben Raum aufhalten könnten, um ihrem Leben wenigstens auf diese Art den Anschein von Bedeutung und Glamour zu geben, den sie suchen. Es wird deutlich, daß es ihnen mit ihrem Aufenthalt in diesem Restaurant weniger um das gesellschaftliche Ereignis geht, mit Freunden zusammen das Essen zu zelebrieren, sondern vielmehr einzig und allein um das bloße Repräsentieren des eigenen Status geht, der niemals hoch genug sein kann. Deswegen will wohl keiner mit dem Erreichten zufrieden sein, sondern strebt stets nach noch Höherem, für dessen Erreichen letztlich das unerreichbare „Dorsia“ steht.
In direktem Gegensatz dazu steht beispielsweise die Diskothek, die Bateman besucht, nachdem er das Lokal verlassen hat. Diese scheint sich in einer weniger exklusiven Gegend zu befinden, doch anhand der Warteschlangen und der Preise muß es sich um eine angesagte Location handeln. Die Tänzerinnen, die sich in zwielichtigem Neonlicht bewegen, tragen Spielzeugwaffen, mit denen sie auf die tanzenden Gäste zielen. Mary Harron liefert hier bereits einen Vorgeschmack, daß die latente Gefahr, die von Bateman offenkundig ausgeht, jedermann treffen kann.
Der Song „True Faith“ von „New Order“ unterstreicht mit seinem Text „My morning sun is the drug that brings me here to the child I lost replaced by fear“ die Bedeutung, die der Aspekt Macht, hervorgerufen durch Angst, in Batemans Leben hat. Für einen ersten Moment der Überraschung sorgt er, wenn er ein Getränk bestellt und die Bardame, die eben noch Barzahlung verlangte, ihm den Rücken zudreht. Sofort erstarrt Patricks falsches Lächeln und er sagt: „You fucking ugly bitch. I want to stabb you to death and wanna play around with your blood.“ Die folgende Einstellung zeigt, daß die Frau diese Aussage gar nicht gehört haben kann, denn sie ist bei der lauten Musik zu sehr mit der Zubereitung des Drinks beschäftigt. Während sie ihm den Rücken zugewandt hat, ist Patrick im Spiegelbild zu sehen. Er ist mit kaltem Neonblau ausgeleuchtet und wirkt durch die räumliche Aufteilung von der Frau und den übrigen Gästen, die sich in seinem Hintergrund befinden, stark distanziert. Zugleich wird dadurch deutlich, daß dies quasi ein Spiegelbild seiner inneren Realität ist, denn Patrick lebt in einer anderen Welt, was sich auch durch den mehrfach geteilten Spiegel zeigt, der seine gespaltene Persönlichkeit reflektiert. Die aufeinander zulaufenden Linien deuten mit ihrem fadenkreuzähnlichen Verlauf an, daß von diesen Menschen jeder ein Opfer werden kann. Nachdem er sein Getränk erhalten hat, verschwindet er wieder in der Masse und vor allem in der Dunkelheit der Disco, denn eigentlich kann ein solcher Ort nur als eine Art Übergangsstadium bezeichnet werden, bevor es Patrick in eine deutlich düstere Welt zieht, nämlich in die der Straßenschluchten. Beleuchtet sind hier meist nur die Neonreklamen oder die Innenräume der Läden, während die Straßen meist in völliger Dunkelheit bleiben. Auch sind sie meist menschenleer oder aber sie werden lediglich von den Menschen frequentiert, die in Patricks innerem Drehbuch eine Rolle spielen werden. Für Komparsen scheint somit kein Platz zu sein, doch reflektiert dies andererseits aber auch seine Einsamkeit und Isolation sowie sein Unvermögen, zu anderen Menschen eine echte Beziehung aufzubauen.