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7. Phantasmagoria

„Paranoia ist nur eine Form von Bewußtsein, und Bewußtsein ist nur eine Form von Liebe.“

Charles Manson Auch Weaver wird seine Selbstsicherheit zum Verhängnis, denn in dem Moment, als er glaubt, Kevin zur Zusammenarbeit bewegen zu können, vergißt er alle Vorsicht und läuft unachtsam über die Straße, worauf er bei einem Autounfall getötet wird. Dies geschieht just in den Moment, während im Inneren der Kirche der Gottesdienst stattfindet. Dabei sieht sich Milton mit zahlreichen Engelsbildern konfrontiert, die auf seine eigene Herkunft hindeuten, war doch Luzifer ein Engel Gottes, bis dieser ihn aus dem Himmel verstieß. Deutlich wird hierbei Miltons Spaß am Brechen von Tabus und an der Herausforderung der göttlichen Macht, wenn er den Finger in das Weihwasser taucht, worauf dieses zu brodeln beginnt. Es ist der Moment, in dem Weaver verunglückt, doch der Film stellt den Zusammenhang nur für denjenigen her, der ihn sehen will. Zu diesen Personen gehört zweifelsohne Mary-Ann, die sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Krankenhaus befindet, mußte sie doch an ihrem Verstand zweifeln, denn der einzige Mensch, der ihr hätte zuhören können, hat entweder keine Zeit oder den Glauben an ihre Aussagen verloren. So deutet sich bereits an, daß Mary-Ann von den Helfern Miltons systematisch in den Wahnsinn getrieben wird, wenn diese in einer teuren Boutique einkaufen. Zunächst tritt Jackie Heath (Tamara Tunie) recht selbstbewußt auf, als sie ohne ein Zeichen von Scham ihre kosmetisch korrigierten Brüste zeigt und schließlich Mary-Ann auffordert, diese zu berühren. Zum einen wird hier Mary-Ann im Ansatz mit sexueller Verführung konfrontiert, die sie ohnehin nicht erwidern kann, da ihr derartige Spielarten fremd sind, zum anderen aber dürfte sie auch schockiert sein, daß den Frauen offenbar jedes Gefühl von Intimität fehlt, wenn diese mit ihren angeblich makellosen Körpern prahlen. Dies hat zur Folge, daß sie später immer mißtrauischer reagieren muß, wenn sie Kevin in Gegenwart dieser Personen weiß. Doch den größte Schock erhält sie, als sich Jackie ein Kleid überstreift und ihr Gesicht kurzzeitig zu einer Monsterfratze mutiert und anschließend unzählige Hände durch ihren Körper zu gleiten scheinen und diesen lüstern berühren, was als weiteres Anzeichen für das zügellose Verhalten zu deuten ist. Kevin schenkt der verstörten Mary-Ann keinen Glauben, als sie ihm davon berichtet. Sein Gesicht ist kalt ausgeleuchtet und die Kanten außerordentlich scharf betont. Überhaupt schafft es Regisseur Hackmann, immer den Grat zu halten, indem er es offen läßt, ob das, was sich da gerade ereignet, nun Realität oder das Wunschdenken bzw. die Wahnvorstellung der Beteiligten ist. Dies trifft ebenso auf den Liebesakt zwischen Kevin und Mary-Ann zu, bei dem es den Anschein hat, er liebe Christabella und nicht Mary-Ann sowie auf deren Erlebnis, bei der ein Baby im Haus erscheint. Ob es sich hierbei um einen Traum handelt oder nicht, bleibt zunächst unklar, als die Sequenz mit einem klassischen Horrormotiv beginnt, bei dem eine Frau mit einem Messer durch einen Flur läuft, um einen vermeintlichen Eindringling zu stellen. Diese Frau ist hierbei Mary-Ann, die zu ihrer Überraschung aber ein Baby, also das, was sie sich am meisten herbeisehnt, im Kinderzimmer vorfindet. Das Grauen erfaßt Mary-Ann, als sie erkennt, daß das Kind mit Eingeweiden spielt, um dann festzustellen, daß auch ihr Unterleib blutverschmiert ist. Diese Vision, so es denn eine war, darf als direkter Angriff auf sie selbst gewertet werden, denn unmittelbar darauf erfährt Kevin, daß sie keine Kinder haben wird. Der blutverschmierte Unterleib steht also für ihren zerstörten Wunsch auf ein Baby und somit für das Ende ihrer Hoffnung, dadurch die Beziehung retten zu können. Als Kevin seine Frau nach dem Freispruch Cullens in einer Kirche vorfindet, ist diese völlig verstört. Kevin, geplagt durch sein schlechtes Gewissen, hat damit den letzten Menschen verloren, mit dem er hätte reden können. Seine Frau behauptet zudem, Milton habe sie vergewaltigt, und so scheint für Kevin der Beweis erbracht, daß sie sich alles nur eingebildet haben kann, war dieser doch die ganze Zeit im Gericht. Seine Fragen kann er nur hilflos im Stil eines Anwaltes stellen, so sehr fehlt ihm das Einfühlungsvermögen für diese Situation. Um ihn vom Gegenteil zu überzeugen, erhebt sie sich und präsentiert Kevin ihren nackten und mit unzähligen Schnittwunden übersäten Körper, deren Verletzungen an die Kreuzeswunde Jesu erinnern, die dieser durch einen Stich in die Seite erhielt, um zu erkennen, ob er bereits tot ist. Und in der Tat ist dies der seelische Todesstoß für Mary-Ann, die von Kevin, der fest davon überzeugt ist, daß sich Mary-Ann diese Verletzungen selbst beigebracht haben muß, daraufhin in eine Klinik eingewiesen wird. Dort wird endgültig zur Gewißheit, daß Mary-Ann nicht an Einbildung leidet, denn als ihr Pam Geritty (Debra Monk) einen Spiegel reicht, dreht diese ihn bewußt so, daß Mary-Ann ihr zur dämonischen Fratze mutierendes Gesicht sehen muß. Mary-Ann, von ihrem Ehemann mißverstanden, bringt sich daraufhin um.